Im Dunkel der Nacht (German Edition)
etwas nach oben gezogen aufgrund des Herbstwinds. »Sie haben gerade eine Pressekonferenz gegeben, die auf allen Lokalsendern übertragen wurde. Verrückte nutzen so etwas manchmal, um sich aus ihrem Versteck zu wagen.«
»War das nicht irgendwo Sinn der Sache?« Als ob sie keine Erfahrung mit Verrückten gesammelt hätte. Selbst die zurechnungsfähigsten Menschen drehten durch, wenn sie auf den Operationstisch mussten. Die wirklich verrückten waren schon in einer Nanosekunde auf einhundertachtzig.
Er rührte sich nicht. »Es gibt Verrückte, und es gibt Verrückte.«
Damit hatte er nicht unrecht. Außerdem duftete er gut. Eine Tatsache, die ihren Panzer ebenso zum Schmelzen brachte wie sein Kinngrübchen. Sie seufzte. »Dann kommen Sie.«
Sie bemerkte, wie er auf dem Weg vom Parkplatz zu ihrer Wohnung das Gelände links und rechts des Bürgersteigs im Auge behielt. Als sie fast an ihrer Tür waren, hörte sie das Quietschen von Reifen im Hof und anschließend ein dumpfes Holpern, wie wenn ein Auto über den Randstein fuhr.
Sie wollte sich bereits umdrehen und zum Parkplatz zurücklaufen, als er sie am Arm festhielt. »Ich gehe voraus.«
Als ob er wüsste, was zu tun war, wenn es am Parkplatz einen Unfall gegeben hatte und Erste Hilfe notwendig war. Trotzdem hatte sich seine Bemerkung über die unterschiedlichen Arten von Verrücktheit eingebrannt, und so nickte sie. Sie waren noch keine zwölf Schritte gegangen, als sie hörten, wie eine Autotür zugeschlagen wurde und eine Stimme rief: »Du dummes Luder, was hast du dir dabei gedacht?«
Veronica hielt etwas Abstand zu Zach und betrat den Parkplatz. »Hi, Dad. Ich freue mich auch, dich zu sehen.«
George Osbornes Buick stand zur Hälfte auf dem Bürgersteig, wobei er den Laternenmasten nur um Zentimeter verfehlt hatte. Zach schüttelte den Kopf. Osborne stand auf dem Gehweg und schwankte, als würde er gegen einen Sturm ankämpfen. »Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«
»Das könnte ich dich auch fragen«, gab Veronica mit ruhiger Stimme zurück. Sie hielt gebührenden Abstand, war wachsam und vorsichtig. Gegenüber Zach hatte sie den Eindruck vermitteln wollen, als wäre ihr Vater ihr gegenüber nie handgreiflich geworden, doch sie verhielt sich wie jemand, der genau wusste, wie man Schlägen auswich.
»Ich habe mir bestimmt nicht im Fernsehen das Maul über Dinge zerrissen, von denen ich keine Ahnung habe.«
Osborne taumelte einige Schritte auf die beiden zu, doch Zach positionierte sich rasch zwischen Veronica und Osborne. Er war von Anfang an überzeugt gewesen, dass Osborne mehr wusste, als er aussprach. Vielleicht würde ihm jetzt etwas herausrutschen, das Zach helfen konnte.
»Was
weißt
du, Dad? Weißt du, was Max zugestoßen ist?« Veronica trat nach vorne. Na so etwas, es schien, als hegte die pflichtbewusste Tochter selbst einige Zweifel. Im Kern der pflichtbewussten Tochter schlummerte eine Realistin. Vermutet hatte er dies schon die ganze Zeit über, doch er war froh, dass sich seine Annahme bewahrheitete.
»Worauf willst du hinaus?« Osborne torkelte weiter auf Veronica zu.
»Du sagst, ich hätte mir das Maul über Dinge zerrissen, über die ich nichts wüsste. Also frage ich mich … weißt du etwas darüber? Hast du deshalb den Eindruck, dass ich auf dem Holzweg bin? Kam Max zu dir und Mama und bat euch um Hilfe?«
»Wenn dieser Sprössling noch einmal Dreck auf meine Türschwelle getragen hätte, wäre er so schnell wieder in dieser Schule gewesen, dass ihm der Kopf vom Hals geflogen wäre.« Osborne spuckte zum Unterstreichen seiner Aussage auf die Straße.
»Aber du weißt etwas, Dad, nicht wahr?« Veronicas Stimme klang angestrengt. »Was ist es? Willst du es mir nicht sagen? Es liegt so lange zurück? Können wir Max nicht endlich seinen Frieden finden lassen?«
Zach glaubte, dass Veronica ihn erreichen konnte, dass Osborne tatsächlich etwas erzählen konnte, das dem Fall Dynamik verleihen würde.
Doch ihr letzter Satz fachte seine Wut erneut an. Gemäß Zachs Erfahrung gab es zwei Arten von Trinkern: liebenswerte und aggressive. Er mochte nicht, wenn er voll gesabbert wurde, doch er ließ sich lieber von einem Mann umarmen, als dass er einen rechten Kinnhaken einfing.
»Ich bin nicht derjenige, der seinen Frieden stört. Du schnüffelst und bettelst doch nach Informationen. Bietest Belohnungen an. Machst Versprechungen. Er ist tot. Er ist seit langer Zeit tot. Lass es gut sein.«
Veronica presste die Lippen
Weitere Kostenlose Bücher