Im Dunkel der Nacht (German Edition)
den beiden jemals zugetraut hatte.
Sie war jetzt zehn Jahre in der Vergangenheit. Es gab alle möglichen Zahlungen, an Ärzte, an Kreditkartenunternehmen und an Autohändler, aber nicht an Anwälte. Vermutlich sollte sie die Schubladen einfach schließen und wieder gehen.
Aber was würde sie dann tun? Sie hatte bereits eineinhalb Stunden vergeudet, was würden da weitere eineinhalb Stunden schaden?
Sie zog einen weiteren Stapel Akten aus der Schublade. Sie reichten wirklich bis in alle Ewigkeit zurück. Was die Leute nicht alles aufhoben. Geburtstagskarten oder Grüße zum Vatertag waren allerdings nirgends zu finden, obwohl sie regelmäßig an solche Aufmerksamkeiten gedacht hatte. Es gab keinen einzigen persönlichen Brief. Nur Kontoauszüge und Steuerbescheide.
Sie blätterte alles durch, und konnte die Ersparnisse ihrer Eltern in umgekehrter Richtung wachsen sehen. Es war, wie wenn man einen Film rückwärts abspielte, in dem Gebäude sich zusammen setzten, anstatt in die Luft zu fliegen oder Milch aus dem Glas zurück in die Flasche floss.
Plötzlich war der Kontostand auf Null. Sie blätterte vorwärts. Von jetzt auf gleich war die Ebbe auf dem Konto unvermittelt einer Geldflut gewichen. Wie zum Kuckuck war das möglich, wo kam das Geld her?
Sie wurde langsamer. Es gab sechs Buchungen, die über sechs Monate verteilt eingingen, jedoch nicht von seinem Arbeitgeber stammten. Jede über 9500 Dollar. Die Einzahlungen erfolgten grundsätzlich in bar. Wie waren ihre Eltern an knapp 1 0 000 Dollar geraten und das gleich sechs Mal hintereinander?
Sie konnte sich kein Szenario ausmalen, das annähernd Sinn gemacht hätte. Allerdings hatte sie auch den Überblick verloren, in welchem Jahr sie sich eigentlich gerade befand. Sie klappte den Ordner zu. 1991.
Das Jahr, in dem Max verschwand.
12
»Also kommt der Prophet zum Berg«, sagte Stoffels und signalisierte Zach und Frank von seinem Rollstuhl aus hereinzukommen. »Soll mir recht sein. Ich bin nicht mehr so gut zu Fuß.«
Zach betrat den Bau im Blockhausstil und versuchte, seinen Kiefer am Herunterklappen zu hindern. Die Decke des riesigen Raums wölbte sich sechs Meter über ihren Köpfen. Eine der Wände wurde von einem gigantischen Kamin aus massivem Stein dominiert. Der Grundriss war offen und luftig, denn Küche und Essbereich waren frei zugänglich. Linker Hand führte eine Wendeltreppe ins Dachgeschoss, wo Zach die Schlafzimmer vermutete.
»Nett, was?«, sagte Stoffels und bewunderte sein eigenes Haus. »Ich hab’s selbst gebaut, damals, als ich noch beweglicher war.«
»Es ist unglaublich«, sagte Zach und übertrieb dabei nicht im Geringsten.
Frank wirkte beeindruckt. »Sie haben das selbst gebaut? Mit ihren eigenen Händen?«
Stoffels nickte. »Am Wochenende, im Urlaub und an Feiertagen, so war das.«
Frank sah sich langsam um. »Das nenne ich … echte Handarbeit!«
»Bringen Sie ihn nur nicht ins Schwelgen.« Stoffels’ Frau kam aus einem Hinterzimmer in die Küche und trocknete sich die Hände mit einem Geschirrtuch ab. Sie lächelte und gesellte sich zu ihrem Mann. »Darf ich den Herren was zu trinken anbieten, vielleicht einen Kaffee?«
Zach schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Wir wollen Ihnen keine Umstände bereiten.«
»Nun, dann setzen Sie sich wenigstens und machen Sie es sich einigermaßen bequem.« Sie deutete in Richtung Essbereich, und alle nahmen an dem großen Holztisch Platz.
»Wir würden gerne mit Ihnen über Max Shelden sprechen. Erinnern Sie sich noch an diesen Fall?«, fragte Zach Stoffels, der an den Tisch rollte.
»Janice hat mir schon erzählt, dass Sie darüber sprechen wollen. Haben Sie sich bereits mit ihr getroffen?«
Zach schüttelte den Kopf. »Wir wollten zuerst hierher kommen und Sie befragen. Janice ist darüber allerdings im Bilde.«
Stoffels nickte. »Dachte ich mir. Sollten Sie mal Gelegenheit haben, müssen Sie sie unbedingt kennenlernen. Ich hätte nie geglaubt, dass sie es hier schaffen würde. Nicht, dass sie eine schlechte Polizistin wäre, im Gegenteil. Sie kam mit einem Berg an Auszeichnungen. Aber sie ist eine Frau, und die haben es in unserer Gegend immer noch deutlich schwerer.«
Zach konnte es sich ausmalen. Chauvinismus gab es in Sacramento kaum noch. Aber je weiter man aufs Land kam, umso schlimmer wurden solche Zustände. Und was das anging, lagen sie verdammt weit abseits der Stadt. Kaum zu glauben, dass es nur eine Tagesreise war.
»Außerdem ist sie richtig süß. Hat einen
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