Im Dunkel der Schuld
versetzt.«
AbschlieÃen? Das war schwer. Ebba fuhr ihren Computer herunter. Es wurde Zeit für den Abend mit Kiefer. Sie ging nach hinten, um ihre Handtasche und den Mantel zu holen, als die Türglocke ging. Leise seufzte sie.
»Geschlossen!«, rief sie dann und zog im Gehen den Mantel an.
Das Erste, was sie sah, war eine schlanke, hochgewachsene Gestalt mit einem riesigen Blumenstrauà vor dem Gesicht, der sich langsam senkte. Sie hätte ihn auch so erkannt.
»Sie haben sich im Monat geirrt, Herr Flemming.«
Er machte eine übertrieben zerknirschte Miene. »Sie haben recht. Wie konnte ich es nur so lange ohne Sie aushalten? Sie sehen umwerfend aus.«
Ebba schnaubte. Das war das dümmste und plumpste Kompliment seit Langem.
»Ich habe keine Zeit für Sie, ich muss los.«
Er griff in die Jackentasche und wedelte mit einer der begehrten Einladungskarten des Museums. »Darf ich Sie begleiten?«
»Das kann ich Ihnen nicht verbieten. Ich frage mich nur, was Sie von mir wollen. Die Sammlung Seidel werde ich einem Kollegen übergeben. Wenn Sie mir vielleicht doch einmal Ihre Visitenkarte überlassen, wird er sich gern mit Ihnen in Verbindung setzen, falls Sie überhaupt noch am Erwerb eines Bildes interessiert sind.«
Er legte den Strauà auf ihren Schreibtisch und hob die Hände hoch. »Ich ergebe mich. Sie haben wirklich allen Grund, auf mich sauer zu sein. Ich habe Sie damals unhöflich versetzt! Ich hätte es in der Zwischenzeit ja wiedergutgemacht, wenn Sie hier gewesen wären.«
Ebba ging an ihm vorbei zur Tür und klimperte demonstrativ mit den Schlüsseln.
»Wollen Sie die Blumen nicht ins Wasser stellen?«
Erst jetzt betrachtete sie das Geschenk näher. Iris und Narzissen. Ausgerechnet. Begräbnisblumen.
»Die nehme ich nicht an«, sagte sie knapp. »Frau Hilpert kann sich morgen früh darum kümmern.«
Wieder hob Flemming ergeben die Hände und folgte ihr hinaus, über die StraÃe und den Augustaplatz zum Museum. Sie schafften es gerade noch pünktlich zur Rede des Hausherrn.
Ebba sah sich um. Geschätzte fünfhundert Gäste. Man hatte kaum einen freien Blick auf den Künstler. Auch Kollegen entdeckte sie nicht. Dafür rückte ihr Flemming auf die Pelle, je mehr sie versuchte, von ihm Abstand zu nehmen. Sein Pfefferminzatem verfolgte sie geradezu.
Mit einem Mal wurde ihr alles zu viel, zu eng, zu bedrückend. Der Saal drehte sich, ihr Kopf wurde schwer, in ihren Ohren setzten sich dicke, rauschende Klumpen fest, die keinen Laut mehr zu ihr durchlieÃen. Sie drehte sich um und hastete durch die Menschenmenge, lief durch die lichte Eingangshalle hinaus ins Freie, vorbei an Mirós Femme-Plastiken, hinein in den dunklen Park auf eine Bank. Ein scharfer Wind war aufgekommen und lieà sie frösteln. Ebba atmete tief durch und beruhigte sich. Der Pfefferminzgeruch war schon wieder da.
»Gehen Sie rein. Ich komme zurecht.«
»Das glaube ich Ihnen. Aber ich habe einen Tisch reserviert â wieder einmal. Nicht sehr einfallsreich, aber vielleicht gefällt es Ihnen ja doch? Jardin de France?«
Das Sternelokal der Stadt. Französische Küche, teuer. Ihr Blick fiel auf seine Schuhe. Feinstes Leder. Dunkler Anzug. WeiÃes Hemd, dezente Krawatte. Hatte er nicht gesagt, er sei Physiotherapeut und absolviere gerade eine Ausbildung zum Heilpraktiker? Warum dann diese Maskerade?
Machte er ihr den Hof?
Das konnte nicht sein. Nicht nach dieser langen Abwesenheit.
Sie schüttelte den Kopf. »Mir steht nicht der Sinn nach einem steifen Abend.«
Er atmete hörbar aus und grinste spitzbübisch. »Gott sei Dank. Ich hatte schon Angst, Sie würden annehmen. Ganz schön nobler Schuppen. Wir hätten natürlich auch die Möglichkeit, in der Gondola unterzukommen.«
»Um die Uhrzeit an einem Donnerstag? Unmöglich.«
»Versuchen wirâs.«
Sie stand auf. Am liebsten hätte sie ihn abgeschüttelt, aber inzwischen machte sich ihr Magen bemerkbar. Diesmal würde sie allerdings auf der Hut sein und sich nicht wieder ausfragen lassen, im Gegenteil, sie würde den Spieà umdrehen. Ein Abend bei Stefano war dafür genau das Richtige. Bei ihm konnte sie trotz ihrer Abneigung gegen fremde Küchen problemlos Pizza bestellen.
Das kleine Lokal war wie üblich brechend voll. Stefano kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, tuschelte mit
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