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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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ist schon schlimm genug. Mit deinem Vater geschah aber offenbar noch mehr.«
    Â»Ich höre mir das nicht länger an. Ich gehe.«
    Â»Warte. Ich will gar nicht ausführlich werden. Ich finde nur, wir sollten das wissen, wenn wir den Kerl mit der Schnapsflasche finden wollen. Vielleicht hat es mit der damaligen Zeit zu tun.«
    Â»Dann interessiert es mich erst recht nicht.«
    Â»Geh noch nicht. Weißt du, dass er bei Kriegsende in amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet? Als er zwei Jahre später entlassen wurde, hatte er keine Zukunft mehr.«
    Â»Das ist mir doch egal.«
    Â»Er konnte nichts dafür.«
    Â»Das ist nicht wahr. So viele haben sein Schicksal geteilt und sind nicht zu Monstern geworden.«
    Â»Er hatte keine Chance. Er war Vollwaise, hatte keinen Schulabschluss, keine Ausbildung, aber er brauchte Geld. Also schlug er sich als Strumpfverkäufer und Staubsaugervertreter durch, später auch als freier Grafiker …«
    Â»Das weiß ich alles. Hör endlich auf.«
    Â»Wusstest du auch, dass er von 1964 bis 1966 im Gefängnis saß?«
    Ebba setzte sich. Das Ungeheuer in ihr schlug und biss nicht, es lag auf der Lauer. Ihre Lippen wurden trocken. »Weshalb?«
    Â»Homosexuelle Handlungen mit einem Achtzehnjährigen. Das war damals strafbar.«
    Â»Was willst du damit sagen? Er hat Georg nie angerührt. Das weiß ich hundertprozentig. Was soll das?« Warum verteidigte sie ihn plötzlich?
    Â»Gar nichts. Ich will nur, dass du alles weißt. Wissen vertreibt Ängste. Dein Vater war ein armes Schwein, wenn du mich fragst.«
    Sie schüttelte den Kopf, während er weiterredete. »Ich weiß, was du sagen willst. Er wurde sadistisch, alkoholkrank und depressiv. Keine Entschuldigung für seine Taten, aber ich meine, es ist gut zu wissen, dass und warum es ihm nicht gut ging. Er hat seine Neigungen danach unterdrückt. War bestimmt nicht leicht für ihn. Er hat sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten, für einen ehemaligen Sträfling gab es nichts anderes. Dann die große Chance: ein Job als Chauffeur beim reichen Wurstfabrikanten Clemens Hansen. Und da war Frieda, dessen Tochter und künftige Fabrikerbin …«
    Â»Bitte, Jörg. Ich habe Kopfschmerzen.«
    Â»Ich bin schon fertig. Ich frage mich nämlich, warum er nach dem Tod deines Großvaters das Imperium nicht zusammen mit seiner Frau weitergeführt hat.«
    Â»Vielleicht, weil meine Mutter sich vor Fleisch und Wurst geekelt hat?«
    Â»Du meinst, er hätte Rücksicht auf Frieda genommen? Nie im Leben. Sie war kaufmännisch ausgebildet worden, sie hätte die Firma leiten können, er hätte gar nicht viel tun müssen.«
    Gegen ihren Willen horchte Ebba auf. Was wollte Jörg ihr damit sagen? Er klang so geheimnisvoll.
    Â»Mein Vater hat aber nun mal alles verkauft und ist nach Baden-Baden gezogen.«
    Â»Hast du dir mal überlegt, warum? Frieda war schwanger. Sie kannten niemanden in Baden-Baden. Oder doch? Kannst du mir folgen?«
    Ebba hob die Hand und nahm ihre Tasche. »Lass mich in Ruhe. Lass Bruno in Ruhe und Frieda und unser Grab. Gib auf.«
    Â»Könnte es sein, dass er hierherzog, weil hier sein einstiger Geliebter lebte?«
    Ebba schnaubte. »Dieser Oberst muss doch längst tot sein. Er sieht ja auf dem Foto wie fünfzig aus, und die Aufnahme ist fast siebzig Jahre alt.«
    Â»Stimmt. Aber vielleicht ging es gar nicht um den Mann auf dem Bild. Vielleicht war es der Fotograf oder sonst jemand aus der damaligen Zeit. Ich würde das gern weiterverfolgen. Gab es im Freundeskreis deines Vaters niemanden, der dir nun, wo du die Hintergründe kennst, spontan einfallen würde?«
    Ebba schüttelte den Kopf. »Ich will auch gar nicht darüber nachdenken. Es ist widerlich und gemein. Vollkommen unnötig. Eine Qual, das ist es. Ich weiß nicht, ob ich das je verdauen kann. Ich wünschte, ich hätte diese Geschichte und deine Vermutung nie gehört. Es geht dich nichts an. Wir gehen dich nichts an. Ich auch nicht.«
    Sie stand auf, um die Wohnung zu verlassen, aber Jörg stellte sich ihr in den Weg.
    Â»Wenn ich einen Namen weiß, haben wir vielleicht auch ein Motiv. Und wenn wir das kennen …« Er fuhr sich aufgeregt durch seine Haare. »Halte mich bitte nicht für verrückt, aber vielleicht …« Er machte eine kleine Pause, ehe er weitersprach.

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