Im Dunkel der Schuld
können.
»Ich fand es unerhört«, begann Flemming wieder.
»Was?«
»Dass er Sie alleinlieÃ, als es Ihnen schlecht ging.«
»Nicht nur das.« Ebba war fast versucht, ihn in ihren Verdacht einzuweihen. Er war inzwischen der einzige Mensch, der sie vielleicht ernst nehmen würde.
Flemming bestellte wieder Trebbiano und ihre Spezialpizza, deren Zusammensetzung er sich beim letzten Mal gemerkt hatte, wie er augenzwinkernd verriet. Dann nahm er vorsichtig ihre Hand. Sie verschwand fast völlig in der seinen, und im selben Moment wurde Ebba von einem Gefühl der Geborgenheit übermannt. Diesmal zog sie die Hand nicht zurück, und ihre Blicke trafen sich. Stefano klopfte ihnen freundlich auf die Schultern.
»So ist es gut. Alles in Ordnung bei euch?«
Flemming nahm seine Hand fort. »Gute Frage: Ebba â darf ich Ebba sagen?«
Ihr wurde es kalt, eiskalt. »Woher â¦Â«
»Georg hat mir deinen Spitznamen verraten. Darf ich dich auch so nennen? Für mich warst du immer Ebba. Elisabetha käme mir albern vor.«
Sie zögerte kurz, aber er hatte eigentlich recht. Jetzt auf ihrem offiziellen Vornamen zu bestehen wäre wirklich unpassend. Sie machte eine zustimmende Kopfbewegung, während er mit besorgter Miene fragte: »Wie ist das mit diesem Jörg? Warum habt ihr euch getrennt? Möchtest du darüber reden?«
Ebba schwankte. Sollte sie ihm von ihrem Verdacht erzählen? Sie konnte nichts beweisen, aber er war da. Er vergiftete sie.
»Ich bin mir nicht sicher, ob er mir die Wahrheit gesagt hat«, murmelte sie.
Tom runzelte die Stirn. »Wir hatten bei unserem letzten Treffen darüber geredet, ob es zwischen den Todesfällen in deiner Familie einen Zusammenhang geben könnte. Jemanden, der ⦠O mein Gott. Du verdächtigst ihn.« Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
»Ich weià überhaupt nichts mehr«, erwiderte Ebba. »Ich kann nichts beweisen.«
»Ach herrje. Ich kann mir vorstellen, wie es in dir aussieht. Du hast aber den Verdacht, dass er etwas damit zu tun haben könnte, nicht wahr? Du Arme. Hast du die Schlösser in deiner Wohnung ausgetauscht? Kommst du vom Parkplatz sicher ins Haus?«
»Nett, dass du dir Sorgen machst. Ich schaff das schon.«
Er stellte sein Glas ab. »Wie schützt du dich vor ihm?«
»Ganz einfach, ich treffe ihn nicht mehr. Das funktioniert, wie du siehst. Ich lebe noch.«
»Vielleicht wartet er auf ein bestimmtes Datum oder eine Gelegenheit. Er könnte dir jederzeit und überall auflauern.«
»Ach, Tom. Ich habe es schon hundertmal durchgespielt. Kommissarin Wieland hat recht: Warum sollte Jörg das alles getan haben? Was ist das Motiv?«
»Wenn die Polizei immer erst tätig würde, wenn sie das Motiv eines Mörders kennt, wären wir alle unseres Lebens nicht mehr sicher. Ebba, ich mach mir Sorgen um dich. Was, wenn er dich an der Wohnungstür überrascht?«
»Ich kann mich wehren.«
»Ãberraschen heiÃt, du rechnest nicht damit, bist vollkommen geschockt, paralysiert. Dann betäubt er dich, zerrt dich in sein Auto, fährt an den Rhein und lässt dich verschwinden.«
Ebba lachte. »Du siehst zu viel fern.«
»Aber die drei Morde traust du ihm zu?«
Am Nachbartisch wurde es still.
»Psst«, machte Ebba. »Ich weiÃ, dass es sich blöd anhört. Er würde mir nie etwas antun. Ich vermute eher, er steht morgen vor der Tür, um sich mit mir zu versöhnen. Weihnachten im Streit verbringen, das schafft er nicht.«
Thomas fuchtelte mit den Armen. »Du darfst ihn nicht reinlassen! Versprich mir das. Ach, besser wäre â¦Â« Er stockte. »Aber nein, das geht nicht. Ich will nicht mehr unhöflich sein, das habe ich mir fest vorgenommen.«
»Was geht nicht?«
»Kannst du Polizeischutz anfordern?«
»Ach, Tom«, sagte sie wieder, und es klang wie früher, wenn Jörg »Oh, Ebba« gesagt hatte.
»Ich meine es ernst. Du solltest morgen auf keinen Fall allein sein. Was hast du überhaupt vor?«
Plötzlich schien es ihr keine gute Idee zu sein, den Heiligen Abend mutterseelenallein totzuschlagen. »Hast du Lust zu kommen?«, fragte sie spontan.
Er verzog den Mund. »Ist nicht unbedingt ein Tag, an dem man sich Fremde ins Haus holt.«
»Aber einen netten Gast vielleicht.«
Er hob ihre Hand sacht an seine Lippen.
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