Im Dunkel der Schuld
dass wir uns gegebenenfalls aus dem Weg gehen können. Drei Schlafzimmer, drei Bäder. Alles umsonst, und eine gute Tat wäre es auch. Na?«
Ebba zwang sich zu lächeln. Warum kaufte sie ihm die Geschichte nicht ab? Er hatte keinen Grund, etwas zu erfinden, aber ihr war unwohl dabei.
»Ich überlege es mir«, sagte sie schlieÃlich mühsam, obwohl sie schon jetzt wusste, dass sie das Angebot nicht annehmen würde.
AchtunddreiÃig
Dienstag, 10. Januar 2012
Endlich wieder arbeiten. Gut gelaunt schloss Ebba die Galerie auf, winkte Frau Tetzlaff im Blumenladen nebenan zu, warf den Stapel Post, den sie aus ihrem Postfach geholt hatte, auf den Schreibtisch und atmete tief durch. Die Bilder an den Wänden waren wie vertraute Freunde, sogar das mit der Schaukel, das sie allen Vorsätzen zum Trotz immer noch hängen hatte. Es wuchs ihr täglich mehr ans Herz; irgendwann würde sie es noch selbst kaufen.
Frau Hilpert hatte noch eine Woche frei, sie war auf Motorradtour in den Anden. Vier Wochen mit ihrem Bär. Tag und Nacht, aneinandergepresst auf einem Motorrad, umschlungen im Schlafsack oder einem schmalen, schmuddeligen Hotelbett. Unvorstellbar.
Ebba hatten die Tage mit Thomas schon vollauf genügt. Er hatte dankenswerterweise die Hütte im Wallis nicht mehr erwähnt und war etwas auf Distanz gegangen, was ihr sehr recht gewesen war. Immer noch saà ihr der Schreck über die Begegnung mit Jörg am Heiligen Abend in den Gliedern. Auf der einen Seite hatte sie sich gefragt, ob sie ihm mit ihrem Verdacht nicht furchtbar unrecht tat. Auf der anderen Seite konnte sie es drehen und wenden, wie sie wollte â wenn sie der Meinung war, die Todesfälle in ihrer Familie hätten einen Zusammenhang, dann gab es nur einen Verdächtigen: Jörg.
Und sie bekam immer mehr Angst vor ihm, auch wegen der Besorgnis, die Thomas schürte. Oft fragte er, ob sie ihre Wohnungstür abgeschlossen hatte. Wenn sie zusammen unterwegs waren, sah er sich nach einem potenziellen Verfolger um. Wenn sie miteinander redeten, drängte er sie trotz ihrer Einwände, zur Polizei zu gehen und eine neuerliche Untersuchung zu fordern.
Aber Ebba zögerte noch. Ohne einen Beweis kam sie sich albern vor, zumal sie sich, wenn sie ehrlich war, Jörg nicht als Serienmörder vorstellen konnte und wollte. Aber manchmal, wenn es in ihrer Wohnung knackte, wenn sie vor der Tür leise Schritte hörte, wenn das Telefon klingelte und schnell wieder verstummte, dann packte sie nackte Angst.
Sie wollte sich ablenken, und deshalb folgte sie Toms Zerstreuungen nur zu gern. In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher. Sie waren an Silvester ins Theater gegangen, wo sie sich über das traditionelle, aber überaus originelle »Dinner for one« köstlich amüsiert hatten.
Am nächsten Mittag brachte er Neujahrsgebäck mit und schlug eine Wanderung durch den Schwarzwald vor.
Es war beschwerlich im tiefen Schnee. Die Wege um das Höhenlokal Rote Lache, von dem man einen weiten Blick ins tief verschneite Murgtal hatte, waren dicht bevölkert, weil einer der ehemaligen Skihänge als Schlittenabfahrt präpariert worden war. Nach zwei, drei Kilometern verliefen sich die Menschen jedoch. Bald waren sie allein. Ebba stolperte, um mit Tom Schritt zu halten, und er wurde langsamer.
»Hat sich Jörg noch einmal bei dir gemeldet?«, wollte er wissen.
»Nie mehr.«
»Er war sehr wütend.«
Ebba sah angestrengt in den milchigen Winterhimmel. Sie bereute den Vorfall inzwischen. »Vielleicht hatte er recht.«
Thomas blieb stehen.
»War trotzdem ein schöner Abend. Vielleicht das schönste Weihnachten seit vielen, vielen Jahren.«
»Unsinn. Es kam doch gar keine Stimmung auf.«
»Ich war in den letzten Jahren nicht sehr verwöhnt.«
Ebba sagte nichts. Es war besser, wenn man abwartete, bis der andere freiwillig über seine Vergangenheit redete.
Als sie eine Anhöhe erreicht hatten, von der aus der Turm der Badener Höhe gut sichtbar war, bogen sie ins nächste Tal ab, und er begann zu erzählen.
»Früher, als meine Mutter noch lebte, hat sie dafür gesorgt, dass es einen Baum und Geschenke gab. Sie hat Plätzchen gebacken und meinen Vater gebeten, mir an diesem Tag freizugeben. Manchmal klappte es, manchmal nicht. Gerade über die Feiertage ist bei uns immer viel los gewesen.«
»Du hast mir immer noch nicht verraten,
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