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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Augustaplatz, peitschten dicke Tropfen waagerecht gegen die Schaufensterfront. Ebba hatte die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht und fröstelte trotzdem über ihrem Becher Tee. Frau Hilpert hatte frei, sie hatte in der Woche zuvor eine Sonderschicht einlegen müssen, als Ebba in London war.
    Der Besuch der London Art Fair hatte sich mehr als gelohnt. Bill Armstrongs Fotografien waren fast bis zur Unkenntlichkeit unscharf, trotzdem konnte man im diffusen Farbspiel genau erkennen, worum es sich handelte: Figuren, Porträts aus der Renaissance, Landschaften – alles in leuch tenden Farben. Ebba verliebte sich auf der Stelle in die Kunst werke, und es gelang ihr, über seine Agentur die Deutschlandrepräsentanz zu erhalten. Eine Fotografie hatte sie gleich mitgebracht, sie hing nun neben dem Schaukelbild. Es war die perfekte Präsentation. Sie hatte schon Fotos gemacht und in die USA gemailt und eine begeisterte Rückmeldung der dortigen Agentur bekommen, die sich ihrerseits nach der Urheberin des anderen Bildes erkundigte. Vielleicht war das der Beginn von Corinnas internationaler Karriere.
    Auch einige Passanten, die trotz des Wetters unterwegs waren, hatte es in die Galerie gezogen, weil ihnen die farbenfrohe großformatige Kombination ins Auge gestochen war. Leider hatten die meisten ablehnend reagiert, als sie erfuhren, dass das »Bild« eine Fotografie war und die »Fotografie« ein Bild. Ebba fand das nicht schlimm. Sie war sich sicher, dass sie sehr bald beide Werke verkaufen würde – obwohl Bill Armstrong einen astronomischen Preis verlangte und sie deshalb jeden Abend zweimal kontrollierte, ob Feuermelder und Alarmanlage scharf waren. Auch die Versicherung hatte sie bereits informiert, obwohl das übertrieben war. Da ihr die Seidel-Bilder nichts bedeuteten, diese aber als exorbitant wertvoll eingestuft worden waren, würde bei einem Totalverlust das Armstrong-Foto locker bei der Versicherungssumme herausspringen.
    Immer wieder blieb ihr Blick an dem ungleichen Bilderpaar hängen. Am liebsten hätte sie die Kombination auf ewig hängen gelassen. Die beiden Werke bildeten eine unwiderstehliche, sensationelle Einheit. Aber sie hatte eine Galerie, kein Museum.
    Ein kleiner Lieferwagen fuhr dicht ans Schaufenster heran und schien direkt davor parken zu wollen, sodass niemand mehr vorbeikommen würde. Das ging doch nicht! Sie brauchte die freie Sicht. Gereizt lief sie nach draußen, um den Fahrer zur Rede zu stellen, und stolperte geradezu in Toms Arme.
    Â»Nicht ärgern. Ich mache das Schaufenster gleich wieder frei. Ich habe gerade einem Kollegen vor Ort etwas geliefert und dachte, ich nutzte die Gelegenheit mit dem großen Wagen. Ich wollte dich um einen riesigen Gefallen bitten, obwohl ich weiß, dass du es nicht gern tust.«
    Â»Ich erfülle dir fast jede Bitte, aber nur fast.«
    Â»Kathrin kommt Sonntag in acht Tagen zurück. Ich würde sie gern überraschen.« Er sprach nicht weiter, sondern machte eine Kopfbewegung in Richtung der Stahltüren. Ebba ahnte, was kommen würde. Automatisch krampfte sich ihr Magen zusammen, und in ihren Ohren setzten sich die allzu bekannten Wattepfropfen fest. Sie stolperte einen Schritt rückwärts.
    Â»Unmöglich«, stotterte sie. »Nicht heute.«
    Â»Auch nicht ansehen?«
    Sie schüttelte den Kopf, unfähig, noch etwas zu sagen.
    Â»Okay«, erwiderte er. »Das hatte ich fast erwartet. Aber ich würde Kathrin gern ein Bild kaufen.« Er begann, die Exponate der Galerie abzuschreiten. Vor dem Armstrong blieb er mit einem leisen Pfiff stehen. »Mann. Wie genial.«
    Â»Sehr teuer.«
    Â»Wie viel?«
    Â»Zu teuer.«
    Er lachte. »Okay. Und das Schaukelbild? Das ist doch ein Ladenhüter, oder nicht? Kann ich über den Preis verhandeln?«
    Jetzt musste sie lachen. »Ich gebe es dir zur Ansicht mit. Häng es ins Büro, und sieh, ob es passt. Ich kann es mir nicht vorstellen, es ist zu offen und fröhlich für einen – Betrieb wie den euren. Die anderen …«, ihre Augen glitten an den Stahltüren entlang, »… würden sicher besser passen, aber damit überrumpelst du mich heute. Lass mich darüber nachdenken.«
    Â»Wer weiß, vielleicht macht sich die Schaukel ja auch ganz gut. Dann bist du gleich zwei Sorgen los. Ich werde es probieren. Darf ich es für ein paar Tage ausleihen? Wenn es nicht passt, bringe ich es

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