Im Dunkel der Schuld
Promille auf seinen völlig maroden Radlader gesetzt, hat auf dem steilen Grundstück die Kontrolle verloren und sich schlieÃlich überschlagen. Der Mann starb noch an der Unfallstelle. Die Ermittlungen haben ergeben, dass er Alkoholiker gewesen war, seit dreizehn Jahren trocken. Und dann ein Rückfall. Der Hanomag war museumsreif. Baujahr 1965. Ein Wunder, dass nicht schon eher etwas passiert war.«
Ebba wurde der Mund trocken.
»Sind Sie sicher, dass es ein Unfall war?«
Die Beamtin sah erneut in ihre Notizen und nickte. »Die Staatsanwaltschaft hat einen Sachverständigen von der Dekra Karlsruhe hinzugezogen. Der Fachmann hat mehrere Faktoren gefunden, die an dem Unfall schuld gewesen sein könnten. Das Ding war absolut verkehrsuntüchtig. Ein Wunder, dass es überhaupt noch einmal angesprungen war. Ich verstehe nicht, dass es für Baumaschinen, die man auf privaten Grundstücken nutzt, nicht auch einen TÃV gibt. Hinzu kam die starke Alkoholisierung des Fahrers.«
»W-wann geschah der Unfall?«, würgte Ebba heraus, obwohl sie die Antwort ahnte.
Die Beamtin sah in die Notizen. »Am 28. März 2011.«
»Am 26. haben wir die Flasche gefunden. Vielleicht hat Buschert den Mann gesehen und musste deshalb sterben.«
Jörg mischte sich ein. »Du hast doch gehört, was Frau Wieland sagt: Es war ein Unfall, nicht mehr. Nur weil der Gärtner uns auf dieses Ritual aufmerksam gemacht hat und ein paar Tage später starb, kannst du doch nicht noch einen Mord konstruieren.«
Die Kripobeamtin schob die Unterlippe vor. »Hm«, machte sie. »Ich weià nicht. So weit würde ich auch nicht gehen.«
Ebba konnte nicht mehr klar denken. Alle Puzzlesteine fielen gerade zu einem grauenhaften Bild zusammen.
»Wo warst du am 28. März, Jörg?«, flüsterte sie.
»Oh, Ebba, nicht schon wieder! Hör auf. Ob du es willst oder nicht, ich werde jetzt in den alten Geschichten weiterforschen. Ich werde schon herausfinden, wer damals die Unfallgegner deines Vaters waren. Mich würde nicht wundern, wenn wir auf einen gewissen Herrn stoÃen. Bis dahin würde ich mich an deiner Stelle vor deinem neuen Freund in Acht nehmen. Frau Wieland war so nett und hat mir einen wichtigen Tipp gegeben â¦Â«
»Sie meinen das Schreiben der Versicherung von damals? Ich fürchte, man wird Ihnen nur Auskunft erteilen, wenn Frau Seidel Ihnen dafür eine Vollmacht ausstellt.«
»Gar nichts mache ich. Ihr verdreht ja alles! Es gab einen Unfall in Toms Familie, aber erst im Frühjahr 1996. Zufrieden? Jetzt lasst mich mit euren Verdächtigungen in Ruhe. Thomas hat mit alldem nichts zu tun. Und du, Jörg, lass die Finger von der Vergangenheit meines Vaters. Es war ein Unfall, fertig.«
Sie hatte sich bis zum Abend noch nicht beruhigt. Thomas hörte sich alles mit besorgtem Gesichtsausdruck an.
»Der Gärtner? Alkoholiker? Das erklärt einiges.«
»Wie meinst du das?«
»Vielleicht hat er die Flasche hingelegt. Du hast sie ja nur letztes Jahr mit eigenen Augen gesehen, oder? Und da war er rückfällig geworden, wenn ich dich richtig verstanden habe. Vielleicht hatte er sich die früheren Episoden nur ausgedacht, weil er Geld für die Beseitigung haben wollte.«
»Geld wollte er nicht. Ach, Tom, du bringst mich ganz durcheinander.«
So kam sie nicht weiter. Sie wollte mit ihm nicht länger über diese Dinge diskutieren. Ebba setzte ihr Geschäftslächeln auf, das sie schon durch viele emotionale Situationen gebracht hatte.
»Jetzt sag: Wie sieht das Schaukelbild bei euch aus?«
»Grässlich. Viel zu fröhlich und prall und voller Leben. Das würden die Trauernden nicht verstehen. Ich bin allerdings unsicher, ob ein anderes Bild besser wäre, oder welches. Könntest du dir die Räume mal ansehen? Du hast mehr Erfahrung. Vielleicht hast du gleich eine Vorstellung, was passt.«
»Wann sollen wir das denn machen?«
»Nächsten Freitag?«
»Lass mich sehen.« Ebba rief ihren Kalender auf. »Am dritten? Natürlich. Ich bin ja froh, wenn ich mich an dem Tag ablenken kann.«
Vierzig
Freitag, 3. Februar 2012
»Unsere Schuld, unsere Schuld, unsere groÃe Schuld. Faltet die Hände, senkt eure Köpfe und betet, Kinder, betet â¦Â«
Ebba wachte von ihrem eigenen Schrei auf und blickte sich verwirrt um. Sie war schweiÃgebadet, alle Nerven vibrierten, sie
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