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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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spürte noch die Angst, diese unendliche, tiefe Angst aus dem Traum. Aber es war alles in Ordnung. Sie lag in ihrem Bett, das Nachtlicht brannte. Erleichtert kuschelte sie sich in die federleichte Decke, doch dann drang in ihr Bewusstsein, warum sie so schlecht geträumt hatte.
    Heute war der 3. Februar.
    Siebzehn Jahre war es her. Es würde nie aufhören, da konnte sie sich noch oft vorsagen, dass niemand Schuld gehabt hatte. Sie hatten nichts getan. Es war nichts geschehen, außer dass die längst überfälligen Sätze fielen. Aus ihrem Mund zwar, aber es war doch die Meinung aller gewesen.
    Ihr Vater hatte oben auf der Treppe gestanden, die Schnaps flasche in der Hand. Er hatte den ganzen Nachmittag im Atelier zugebracht, in wilder Stimmung, die alle Familienmitglieder davon abhielt, auch nur einen Schritt in den Malertrakt zu setzen. Doch er hatte Besuch gehabt, daran konnte sich Ebba noch deutlich erinnern. Wer von seinen Kumpanen es gewesen war, wusste sie nicht mehr, aber es hatte lauten Streit gegeben. Entsprechend gelaunt war ihr Vater nun.
    Â»Mein bester Freund! Er nun auch. Alle verlassen mich. Jetzt will er nichts mehr von mir wissen. Und alles nur wegen euch. Bagage, verdammte! Ich kann nicht mehr. Ihr treibt mich in den Tod, ihr allesamt!«
    Sie waren am Fußende der Treppe zusammengekommen. Eine Szene, wie sie sie wohl schon hundertmal erlebt hatten. Immer hatte einer von ihnen nachgegeben, war die Treppe hinaufgeeilt, hatte den Vater zu beruhigen versucht. Aber diesmal war es anders. Es gab keinen Anlass, keinen Grund dafür. Es war einfach genug.
    Schwankend stand er oben, stierte herunter zu seiner Familie, die gegen ihn eine Wand bildete.
    Â»Was tut ihr da? Warum hilft mir keiner? Wollt ihr mich ins Grab bringen?«, schrie er.
    Sie hatten sich fest an den Händen gehalten, nicht mehr zu atmen gewagt, den Augenblick durchgestanden, waren nicht eingeknickt, waren enger zusammengerückt, Hüfte an Hüfte in nie gekannter, unausgesprochener Einigkeit, die sie stark machte. Ebba hatte Rosies Zittern gefühlt, Friedas inneres Zögern erahnt und Georgs Angst gerochen.
    Bruno hatte wie so oft geweint und geschrien, die Flasche gehoben und gebrüllt, sie würden ihn ins Grab bringen. Er halte diese Familie nicht mehr aus; wenn sie ihm nicht gehorchten, sei sein Leben sinnlos. Dann werde er sich umbringen, und das sei dann allein ihre Schuld.
    Diesmal fuhr niemand dazwischen. Niemand fragte, was zu tun sei, damit er sich wieder beruhigte. Niemand unterwarf sich. Stumm bildeten sie eine Mauer.
    Â»So ist das also! Verbündet ihr euch auch gegen mich?«, hatte er geschrien. »Was soll das? Wollt ihr mich loswerden? Das könnt ihr haben. Aber ihr seid daran schuld, merkt euch das. Wenn ihr nicht gleich mit eurem blöden Starren aufhört, bring ich mich um. Habt ihr gehört? Ich werde mich umbringen!«
    Einen Augenblick sah es so aus, als würde die Angst wieder siegen, als würde die Unsicherheit sie niederdrücken, wie so oft.
    Dann hatte sich Ebba von den anderen gelöst und war einen Schritt nach vorn getreten, wie um die Verantwortung zu übernehmen für das, was nun geschehen würde.
    Â»Gut«, sagte sie. »Wir wünschen uns nichts sehnlicher auf der Welt.«
    Bruno schwankte. Für einen Moment sah es so aus, als würde er sich fallen lassen, sich auf sie stürzen und sie unter sich begraben wollen. Aber er blieb unsicher stehen, die Flasche erhoben. Er zwinkerte, sein Mund stand offen, Ebba konnte sehen, wie ihm Speichel heraustroff.
    Â»Ihr bringt mich tatsächlich um!«, schrie er, erstaunlich klar in der Aussprache, als sei er jäh nüchtern geworden. »Wollt ihr das?«
    Â»Ja.« Das Wort kam klar und fest aus Ebbas Mund. Es duldete keinen Widerspruch, kein Zögern, keinen Rückzug. »Seit Jahren sagst du, du willst dich umbringen. Seit Jahren drangsalierst du uns mit dieser Drohung. Seit Jahren kuschen wir, wenn du mit diesem Selbstmordscheiß kommst. Meine Güte, wir haben es satt. Du gehörst nicht mehr zu uns! Tu es doch endlich. Bring dich um. Erlöse uns!«
    Kein Laut war hinter ihrem Rücken zu hören. Immer noch stand die Wand.
    Oben beugte sich ihr Vater vor, als sei er kurzsichtig oder als wolle er jeden einzelnen von ihnen mit seinen Blicken vernichten.
    Â»Friedchen! Rosie! Georg!«, raunzte er, aber es klang nicht mehr furchteinflößend, sondern

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