Im Dunkel der Schuld
es sich um den Kauf eines Buches gehandelt und nicht um den eines alten Hauses.
Die Urkunden über die Wohnung im Turm hätte sie am liebsten nicht angefasst. Nur flüchtig blätterte sie darin. Der Makler war die Wohnung erst vor zwei Monaten losgeworden, kein Wunder, sie galt als Todeswohnung. Ein älteres Ehepaar aus der Schweiz hatte schlieÃlich zugegriffen; offenbar hatten sie keine Ahnung, was sich dort ereignet hatte. Vielleicht war es ihnen aber auch gleichgültig gewesen. Nur der Vollständigkeit halber blätterte Ebba weiter. Ganz hinten war eine Immobilienanzeige vom November 2009 archiviert, es folgten das Exposé des Maklers, Fotos, Pläne, schlieÃlich Rosies Kaufurkunde von 2010.
Ebba wollte schon die nächste Seite aufschlagen, da blätterte sie noch einmal wie elektrisiert zurück. Beurkundet worden war alles Ende Februar, aber im Vertrag stand ganz klein das wahre Kaufdatum: der 3. Februar 2010.
Zufall? Zwei Zufälle? Wieder nahm sie sich Georgs Ordner vor, genauer als vorhin, aber hier gab es nichts. Vielleicht wusste Maria etwas! Wie spät war es wohl in Manila? Egal, das duldete keinen Aufschub.
Der Ordner rutschte ihr von den Knien.
Maria meldete sich nach dem zehnten oder elften Klingeln, munter und freundlich.
Das Datum war ihr ein Begriff.
»Da euer Vater ist gestorben.«
»Versuch dich bitte zu erinnern, ob an einem anderen 3. Februar einmal etwas AuÃergewöhnliches geschehen ist. Vor allem in dem Jahr, als Georg starb. Oder im Jahr davor. Begannen an dem Tag beispielsweise die Sabotageversuche?«
Langes Schweigen, in dem Ebba Kindergeschrei, Hupen, Klingeln und Topfscheppern hörte.
» Maybe . Ich weià nicht«, flüsterte Maria schlieÃlich, und es war ihrer Stimme anzumerken, dass sie weinte.
»3. Februar 2007. Ein Samstag.«
»Oh, schlimme Samstage. Da er hat immer der Auto gewaschen, StraÃe gekehrt und Keller gewischt. Dann Mittagessen und â¦Â«
»Ich meine diesen speziellen Samstag, den 3. Februar.«
»Alle Samstage gleich. AuÃer Todesdatum Vater, da er war crazy. Yes, crazy. «
Ebba sah ungeduldig zur Decke. Wann war ihr Bruder nicht merkwürdig gewesen?
»Wie, merkwürdig?«
»Angst.«
»Vor wem? Hat er einen konkreten Verdacht geäuÃert?«
»Nicht vor einem Mensch. Er hat nur immer gewollt, mit mir zu beten. Vaterunser immer und immer wieder, und dann er hat geweint.«
Ihr Bruder hatte geweint? Erinnerungen krochen hoch.
»Ebba?«
»Entschuldige, ich habe nicht zugehört.«
»Heute ist 3. Februar. Wie geht dir? Traurig? Kann ich helfen? Sorry, my German â¦Â«
»A-alles in O-ordnung«, hörte Ebba sich stottern, dann legte sie auf.
Nüchtern betrachtet konnte sie also bei Georg nichts rings um den Termin konstruieren. Die Einnahme von Tabletten und ein Kaufvertrag Jahre später ergaben ohne ein Puzzlesteinchen von Georg keinen Zusammenhang, der die Polizei interessieren würde.
Ach, zum Teufel! Sie sollte endlich akzeptieren, dass nichts zusammenpasste.
Sie sollte loslassen, abschlieÃen, endlich neu anfangen! Ebba begann, die Ordner wegzuräumen.
Es klingelte.
Sie sah zur Uhr. Nicht einmal acht. Schon war die Angst wieder da.
Als könne jemand sie belauschen, schlich sie auf Zehenspitzen zur Tür und nahm den Hörer des Ãberwachungsgeräts ab. Auf dem kleinen Bildschirm erschien der Ausschnitt des Eingangsbereichs im Erdgeschoss. Jörg stand dort, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aber eindeutig zu erkennen. Die Kamera hielt direkt auf ihn.
Ebba wich zurück, als stünde er vor ihr und könne sie sehen.
»Mach auf!«, hörte sie ihn.
»Geh weg!«, flüsterte sie, was er natürlich nicht verstehen konnte, weil sie nicht nahe genug war.
Jörg drückte erneut die Klingel. »Ich weiÃ, dass du da bist. Ich gehe nicht, bevor wir geredet haben. Du musst mich anhören.«
Ebba wurde es eiskalt.
War sie jetzt sein nächstes Opfer? 3. Februar, ausgerechnet. Es war kein Zufall. Jörg kannte das Datum, und das bedeutete ⦠Sie weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu bringen.
Sie ging näher an den kleinen Bildschirm. Jörg sah direkt in die Kamera.
»Bitte, Ebba, mach auf! Du musst mich anhören. Du bist in Gefahr!«
Jörg sah schrecklich aus, als habe er Nächte nicht geschlafen. Als sei er krank.
»Er kannte alle Marotten, er war in der
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