Im Dunkel der Schuld
Nähe«, hörte sie Toms Stimme in sich. »Alles erklärbar«, murmelte Kommissarin Wieland. »Gefahr, Gefahr«, schlug Jörgs Stimme wie ein Echo in ihrem Kopf zurück.
»Lass mich in Ruhe!«, rief sie.
»Ebba, Gott sei Dank. Du bist da. Mach auf. Bitte!«
»Geh weg!«
»Du musst mich anhören. Es geht um Leben und Tod.«
Es war ihm ernst. Er würde sie den Rest des Tages belagern. Sie musste ihn abwimmeln.
»Tom ist hier«, log sie. »Du kannst nicht reinkommen.«
»Dann warte ich in der Galerie auf dich.«
»Auf keinen Fall!«
»Sag, wo wir uns treffen können. Schlag ein Café vor, oder komm in meine Wohnung.«
»Niemals!«
»Was macht er mit dir? Was hat er dir über mich gesagt? Was hat er über sich erzählt? Es ist alles gelogen. Hörst du Ebba, alles gelogen!«
»Schluss jetzt! Geh nach Hause. Es ist aus mit uns.«
»Es geht um damals, Ebba. Ich mache mir Vorwürfe. Ich hätte es dir eher sagen sollen. Es gibt keinen â¦Â«
Ebba legte auf und zog sich ans Fenster zurück.
Das Herz schlug ihr bis in den Hals. War Jörg verrückt geworden? Womöglich würde er nun an der Haustür auf sie warten. Oder das Garagentor belagern. Oder ihr in der Stadt in der Tiefgarage oder in der Galerie auflauern. Vielleicht hatte er Georg, Rosie und Frieda vor deren Tod ebenfalls auf diese Weise gequält.
Hatte sie genug gegen ihn in der Hand, um Hilfe zu holen? Reichte das Klingeln an der Haustür, um Jörg wenigstens als Stalker anzuzeigen? Alles andere würde man ihr ja sowieso nicht glauben.
Sie musste die Polizei rufen. Sie konnte sich ja schlecht in der eigenen Wohnung verbarrikadieren. Dann hätte er fast erreicht, was er wollte: dass sie eingesperrt war und sich nicht wehren konnte.
Nein! Alles, nur das nicht!
Zittrig suchte sie die Nummer der Polizeidienststelle aus dem Telefonbuch und verlangte, Frau Wieland zu sprechen.
Sie wurde verbunden. Eine freundliche Männerstimme meldete sich.
»Die Kollegin hat heute frei. Sie hat dafür am Wochenende Dienst. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Ebba stöhnte leise. Damit hatte sie nicht gerechnet. Frau Wieland war die Einzige, die die Situation sofort richtig einschätzen konnte.
»Möchten Sie eine Anzeige erstatten? Gibt es einen Notfall bei Ihnen? Nennen Sie mir Ihren Namen und Ihre Anschrift.« Der Mann am anderen Ende wurde immer drängender.
Ebba legte auf.
Es war wie immer. Sie musste sich selbst helfen.
Am besten tauchte sie ab. Heute Abend wollte Thomas ihr den Betrieb seiner Schwester zeigen. Vielleicht konnte sie dort übernachten.
Sie lief noch einmal zur Ãberwachungskamera. Jörg war nicht zu sehen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Er konnte im toten Winkel direkt an der Hauseingangstür stehen oder schon im Treppenhaus sein. Hektisch packte sie die kleine Reisetasche, begleitet vom Klingeln des Telefons, das sie ignorierte. Sie gelangte mit dem Lift in die Gemeinschaftsgarage, und über die kam sie ins Treppenhaus des Nachbarhauses. Dorthin bestellte sie ein Taxi und lieà sich in die Stadt fahren, wo ihr nicht zum ersten Mal ihre Galerie wie ein sicherer Hafen erschien.
Einundvierzig
Der Tag wollte nicht vergehen. Bei jedem Kunden, der die Galerie betrat, bei jedem Passanten, der drauÃen vorbeiging, schreckte sie zusammen. Um in der Pause nicht allein zu sein, lud sie Frau Hilpert zum Mittagessen ein, ohne ihr den Grund dafür zu nennen. Immerhin hatte ihre Assistentin engen Kontakt zu Jörg.
Am Nachmittag hielt sie es nicht mehr aus. Sie wollte weg, sofort! Es konnte doch nicht schwer sein, das Beerdigungs-Institut Flemming im Telefonbuch zu finden. Er würde schon verstehen, dass dies ein Notfall war.
Sie rief im Branchenverzeichnis im Computer die Bestattungsunternehmen in Karlsruhe auf. Es gab kein Institut mit dem Namen Flemming, wohl aber drei Firmen mit allgemeinen Bezeichnungen wie »Abendruh«, »Friede«, »Heimkehr«.
Sie wählte deren Nummern und landete jeweils in den Sekretariaten. Einen Herrn oder eine Frau Flemming kannte leider keiner der Angestellten.
Ratlos legte Ebba auf. Vielleicht hatte Toms Schwester geheiratet und firmierte unter dem Namen des Ehemanns?
Das Telefon in der Galerie läutete, und sie war froh, dass Frau Hilpert abnahm. Sie achtete nicht auf das Gespräch, sondern erweiterte ihren Suchradius. Das Unternehmen Flemming
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