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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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auf der anderen Straßenseite. Ein ungleiches Paar, fiel Ebba wieder auf: Maria klein und pummelig mit glänzend schwarzem langem Haar und Mittelscheitel, in ein wallendes buntes Kleid gehüllt, das die ganze Farbskala Mirós vereinigte, und daneben der hagere Georg, dessen dunkle Haare selbst im Frühlingswind akkurat an Ort und Stelle lagen, wie üblich in dunklem Anzug, weißem Hemd und dunkelblauer Krawatte. Links trug er sein obligatorisches Aktenköfferchen, rechts eine dickbauchige, geblümte Reisetasche.
    Sie hatte die beiden herbestellt, weil die Galerie leicht zu finden war und weil sie sie zum Abendessen ins traditionsreiche »Stahlbad« vis-à-vis einladen wollte. Vielleicht würde auch Jörg zu ihnen stoßen, aber das war nicht ganz sicher. Er war noch auf Fototour in der Pfalz, und wenn der Termin mit dem Weingut Knipser in Laumersheim zustande kam, würde er dort übernachten, um die berühmten Tropfen ausgiebig kosten zu können. Jetzt, wo Paris ins Wasser fiel, hatte er die Zeit dafür.
    Jörg hatte die Hiobsbotschaft mit Humor und großem Verständnis aufgenommen. »Natürlich hilfst du deinem Bruder, Ebba, sonst wärst du ja nicht du. Nimm doch deine Schwägerin an meiner Stelle mit; das Hotel lässt sich ohnehin nicht mehr kostenlos stornieren. Macht euch eine schöne Zeit, kauf ihr was Schickes. Das würde ihr vielleicht gefallen, leicht hat sie es ja nicht bei deinem Bruder, wenn ich dich richtig verstanden habe.«
    In der Tat sahen die beiden selbst auf die Entfernung nicht gut aus. Maria hatte geschwollene Augen und blickte zu Boden, Georgs Bewegungen wirkten auf die Distanz so fahrig, dass Ebba für einen Moment fürchtete, er würde gleich vor ein Auto laufen.
    Von Nahem wirkten sie noch aufgelöster.
    Ebba öffnete die Ladentür und versuchte es mit freundlicher Fröhlichkeit, die in ihren Ohren allerdings sehr gequält klang. Deshalb räusperte sie sich und fing noch einmal neu an.
    Â»Kommt rein«, sagte sie und machte eine einladende Handbewegung, aber Georg rührte sich nicht. Mit offenem Mund blieb er in der Tür stehen, setzte die Taschen ab, nahm seine Brille von der Nase, putzte sie, setzte sie wieder auf und sah sich gründlich um. Langsam betrat er die Galerie, und sein blasses, ernstes Gesicht verschloss sich. Er war wie die anderen Familienmitglieder im letzten Jahr weder zur Eröffnung gekommen noch zur Einweihung ihrer Wohnung.
    Â»Sieht professionell aus«, sagte er leise, und Ebba ärgerte sich darüber. Was hatte er denn gedacht? Dass sie einen kleinen Bilderladen mit Werken von Hobbymalerinnen in 2-b-Lage betrieb?
    Georg machte noch einen Schritt und drehte sich im Kreis, als suche er etwas.
    Â»Wo sind sie?«, fragte er schließlich mit belegter Stimme.
    Â»Im Archiv. Die stelle ich nicht öffentlich aus, wenn du das meinst.«
    Georg nickte zufrieden und schien sich etwas zu entspannen.
    Â»Entschuldige unseren Überfall. Du kannst dir nicht vorstellen, wie unangenehm es mir ist, aber ich muss endlich Klarheit haben.«
    Â»Worüber denn nur?«
    Maria hob den Kopf, mied jeden Blickkontakt, sondern schaute angestrengt zur hohen Stuckdecke, und Ebba verstand: Es ging um dieses ominöse »Er glaubt, dass etwas nicht stimmt, und gibt mir die Schuld«.
    Â»Es wird bestimmt nicht lange dauern«, wich er aus.
    Â»Sag, was los ist!«
    Seine Stirn begann zu glänzen, und die Ader an seiner Schläfe pochte, als würde sie gleich platzen.
    Jetzt tat er ihr schon fast leid. Wie oft hatte sie ihn so leiden gesehen!
    Ein feines Brummen machte sich nun auch in ihrem Kopf bemerkbar, ganz automatisch. Sie konnte immer noch nichts dagegen unternehmen. Wenn sie an damals erinnert wurde, ging es wie von selbst los.
    Truhe. Schrank. Dunkelheit.
    Alles war da, und es machte ihr Angst. Aber es war falsch. Unbegründet. Niemand konnte ihr mehr ein Leid antun. Ihr Vater schon gar nicht. Es war vorbei. Sehr lange schon.
    Schwer atmend standen sie sich gegenüber, verstrickt in Unaussprechliches, bis Maria sie mit ihrer freundlichen Stimme erlöste.
    Â»So schön ist dieser gallery , Ebba, wonderful . Jetzt ich bin froh, dass wir hier sind.«
    Â»Ihr werdet Hunger haben. Ich habe drüben einen Tisch reserviert. Vielleicht kommt noch jemand dazu, aber ich bin mir nicht sicher.« Ebba warf einen letzten prüfenden Blick auf ihr Handy. Keine

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