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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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reingehen. Aber er durfte die Aufforderung auch nicht ignorieren. Außerdem musste er noch seine Sachen aus dem Büro holen.
    Â»Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit. Jetzt melden Sie sich schon, dann kann ich Feierabend machen. Sagen Sie mir wenigstens: Ist mit dem Lift alles in Ordnung?«
    Â»Scheint so«, sagte Georg.
    Â»Wie bitte?«
    Â»Scheint so!«
    Â»Sie müssen auf den roten Knopf drücken und dann sprechen, sonst verstehe ich Sie nicht.«
    Georg machte den Arm lang, aber er konnte die Leiste nicht erreichen. Sein Gedärm rumorte, als er einen ersten Schritt in den Kasten trat, dann machte er mutig noch einen. Die Türen waren ja geöffnet, es konnte nichts geschehen, solange er nichts berührte.
    Â»Den roten Knopf!«
    Zitternd näherte sich sein Zeigefinger der Taste. Und wenn sich die Türen schlossen und er nicht mehr hinauskam? Unsinn.
    Â»Hören Sie, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit. Drücken Sie endlich den Knopf! Laut Mietvertrag sind Sie dazu verpflichtet, auch wenn Sie den Lift vielleicht nie benutzen.«
    Als könne er sich daran verbrennen, berührte Georg die Taste kurz und zog die Hand sofort wieder weg. Im selben Augenblick zischte es, und die Türen schlossen sich. Vor Schreck gelähmt sah er ihnen dabei zu, unfähig, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen.
    Â»Nein!«, rief er. »Hallo, Sie haben die Türen zugehen lassen. Ich will hier raus!«
    Nichts rührte sich. Der Lautsprecher schwieg.
    Georg drückte den roten Knopf, ließ ihn nicht mehr los. »Hallo, hören Sie, helfen Sie mir!«
    Nichts. Kein Rauschen, kein Krächzen, keine Stimme.
    Georg hämmerte gegen die Türen. Der Aufzug hatte sich nicht bewegt, er stand also noch in der zweiten Etage. Vielleicht war doch noch jemand im Haus und bemerkte ihn.
    Â»Hilfe, Hilfe!«
    Die Stille wurde unerträglich.
    Wieder drückte er den Knopf. Es klickte im Lautsprecher, und das Geräusch machte ihm mehr Angst als alles andere. Er war den Tränen nahe.
    Â»Nein, nicht! Hallo, bitte.«
    Aber da war nur noch Stille. Totenstille.
    Sein Herz drohte zu zerreißen, glühend fuhr ihm die Angst in die Eingeweide, ein heftiges Würgen stieg in ihm hoch. Brechreiz schüttelte ihn, aber er gab nichts von sich, es wurde ihm nur übel, schrecklich übel.
    Sein Arm wurde taub, dann bekam er keine Luft mehr. Das Nitro. Im Büro.
    Unglaubliche Erschöpfung packte ihn. Langsam sackte er zu Boden, rappelte sich jedoch wieder auf, hämmerte an die Metalltüren, stocherte mit dem Schlüssel in dem kaum sichtbaren Schlitz zwischen den Türen, rutschte ab. Als Nächstes versuchte er erst mit dem Schlüsselbund, dann mit dem Bügel seiner Brille und schließlich mit den bloßen Fingernägeln, die Verblendung der Bedienleiste wegzureißen, probierte es immer wieder, bis ihm die Nägel abbrachen und das Fleisch darunter zu bluten begann.
    Alles drehte sich, erst langsam, dann immer schneller. Er sank zu Boden, legte sich in den Schmutz, und es kümmerte ihn nicht. Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde immer tiefer kreiseln, bis hinunter in den Keller.
    Dann wurde alles um ihn dunkel.
    Als er wieder zu sich kam, blieb er einen Augenblick lang still liegen und malte sich aus, er habe alles nur geträumt. Zaghaft sah er sich um, aber alles war noch da. Die matt schimmernden Türen, die Stille, die abgestandene Luft, die unerreichbar hohe Decke des Aufzugs, die glatte Verkleidung der Schaltleiste, der nutzlose rote Knopf.
    Er wollte aufstehen, schreien, vielleicht sogar beten, doch er war zu nichts fähig. Alle Energie war aus ihm gewichen.
    Die Stiche in der Herzgegend wurden stärker, ihm wurde kalt und immer kälter. Immer flacher ging sein Atem, bis ihn der Lebensmut verließ und er entkräftet und ergeben auf sein Schicksal wartete.
    Einmal noch bäumte sich sein verängstigtes Herz auf, einmal noch wallte Panik hoch und griff nach ihm, schnürte ihm die Kehle zu, dann riss etwas in seinem Innern, und alles wurde schwarz.

Sieben
    Sonntag, 25. März 2007
    So einfach war es doch nicht, die Sorgen hinter sich zu lassen, selbst in Paris nicht, obwohl sich Ebba viel Mühe gab, Maria auf andere Gedanken zu bringen.
    Sie hatten Galerien rund um das Centre Pompidou sowie im Bastille-Viertel abgeklappert, zwei unvergessliche Stunden im Musée d’Orsay verbracht, hatten im Café Les Deux Magots

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