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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Schluss gemacht, um Maria zu Ebba zu fahren. Aber er hatte das Fenster geschlossen. Ganz sicher. Zweimal kontrolliert und beim Wegfahren noch einmal hochgesehen. Oder doch nicht?
    Er wischte sich über die Stirn und wusste nicht, wohin nun mit der besudelten, feuchten Hand.
    Â»Grobe Fahrlässigkeit ist das – da wird die Versicherung kaum einspringen«, räsonierte der selbstgefällige Kerl hinter seinem Rücken, und Georg machte einen großen Schritt über den Papierwust am Boden in Richtung Schreibtisch und warf die Tür hinter sich zu.
    Dann schloss er das Fenster und setzte sich inmitten des Chaos auf seinen Bürostuhl. Alles drehte sich, und sein Herz machte ihm mal wieder zu schaffen. So sehr, dass er seine Aktentasche öffnete und sich einen Stoß Nitro verabreichte.
    Wie sah es hier nur aus! Er würde Stunden brauchen, um seine Ordnung wieder einigermaßen herzustellen. Ganz zu schweigen von seinem selbst gesetzten Tagespensum, das er nun unmöglich schaffen konnte. Er würde seine Pläne ändern und so lange im Büro bleiben müssen, bis alles wieder an Ort und Stelle und erledigt war, auch wenn das bedeutete, dass er nicht pünktlich nach Hause kam und dadurch womöglich Marias Anruf verpasste, denn die würde es bestimmt nicht im Büro versuchen.
    Noch einmal eilte er hinaus zum Waschraum, um sich die Hände gründlich zu schrubben, dann ging es los, und außer einem Glas Wasser gönnte er sich nichts mehr, bis er fertig war.
    Es war schon dunkel, als er endlich das Gefühl hatte, wieder im Lot zu sein.
    19.24 Uhr.
    Sein Magen knurrte seit Stunden, alles in ihm brannte und zog sich zusammen, er musste dringend auf die Toilette und brauchte noch dringender einen Tropfen zu trinken.
    Erst jetzt gestand er sich das ein, jetzt, wo alles wieder perfekt war. Dass er es nicht pünktlich zur Post geschafft hatte, war verzeihlich, denn es reichte, wenn seine Briefe am Montag bei den Adressaten eintrudelten. Fünf Vorgänge hatte er trotz seiner Extraaktionen erledigen können, fünf wie jeden Tag.
    Seine Hände klebten, sein Hemd roch muffig, und die Krawatte saß nicht mehr korrekt unter dem Adamsapfel. Was war das nur für ein Tag gewesen?
    Ein letzter Gang zum Fenster. Ja, fest geschlossen. Vielleicht sollte er sich auch fürs Büro eine Checkliste anlegen.
    Noch einmal vergewisserte er sich, dass sein Auto noch unten auf dem Parkplatz stand. Unvorstellbar, wenn er heute Morgen tatsächlich vergessen hätte abzuschließen und der Wagen nun gestohlen worden wäre. Der Passat hatte schon ein paar Jahre auf dem Buckel; es wäre also nicht der Verlust an sich gewesen, sondern vielmehr die unaussprechliche, undenkbare Aussicht, den Heimweg mit dem Taxi oder – noch schlimmer – mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zurücklegen zu müssen. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins, würde er nicht ertragen können. Weder als Beifahrer in einem Auto noch als Fahrgast in Bus oder Bahn. Aus diesem Grund betrat er auch keine Aufzüge. Schon bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um.
    19.31 Uhr.
    Gleich würde er zu Hause sein. Er packte seine Aktentasche, zog das Jackett über, nahm Mantel und Schlüssel, betrachtete dann aber seine klebrigen Hände und stellte alles wieder zurück.
    Der Gang war leer. Um diese Uhrzeit war kein Mensch mehr im Büro, erst recht nicht freitags. Trotzdem schloss er ab. Vorsichtshalber. Es würde nur ein paar Minuten dauern, aber man konnte nie wissen. Schon gar nicht nach dem mysteriös geöffneten Fenster. Es war bestimmt jemand in seinem Büro gewesen, und zwar nicht der Reinigungsdienst; der kam nur einmal wöchentlich, montags.
    Der Waschraum war dunkel, das Licht funktionierte aus irgendeinem Grund plötzlich nicht mehr. Er ließ die Tür zum beleuchteten Flur auf, wusch sich die wunden Hände, bis sie wie Feuer brannten, tupfte sie behutsam ab und ging wieder hinaus. Er stutzte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Etwas war anders als sonst. Richtig, der Zugang zur Treppe war mit einem rot-weißen Band abgesperrt, das sah er erst jetzt.
    Â»Wegen Bauarbeiten gesperrt. Lebensgefahr. Benutzen Sie den Aufzug«, stand auf einem Schild, das an dem Band befestigt war. Auch das noch.
    Argwöhnisch lugte Georg in die Tiefe. Komisch, eigentlich sah alles aus wie immer. Kein Anzeichen für einen Umbau. Nicht einmal die

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