Im Dunkel der Schuld
Malerfolie unten im Erdgeschoss konnte er entdecken.
Lebensgefahr? Wenn das mal nicht übertrieben war. Er würde es riskieren, sobald er seine Sachen geholt hatte. Wenn er ganz eng an der Wand entlang ging, konnte bei einer Steintreppe eigentlich nicht viel passieren.
Es musste jedoch einen Grund für das Schild geben.
Also doch der Lift?
Ausgeschlossen. Keine zehn Pferde würden ihn in die Kabine bekommen. Es ging einfach nicht. Niemals! Sogar Ebba sah das so, wenn auch aus anderem Grund. Sie litt seit der Kindheit an Klaustrophobie, ihm hingegen machte es Angst, einer Maschine so vollkommen hilflos ausgeliefert zu sein.
Aber hatte er eine Wahl?
Lebensgefahr!
Das Wort grub sich immer tiefer in seinen Kopf. AuÃerdem waren Anordnungen dazu da, befolgt zu werden. Er war nicht Ebba, die immer einen Ausweg fand. Er hatte gelernt, dass es für ihn das Beste war zu gehorchen.
Also würde er gleich den Aufzug nehmen müssen.
Schon bei dessen Anblick beschleunigte sich sein Puls, und ein Eisenring presste seinen Brustkorb zusammen.
Auf Zehenspitzen näherte er sich den offenen Türen. Es ist nur ein Lift, sagte er sich. Vielleicht sollte er sich erst einmal mit dem Ding auseinandersetzen, ehe er es später bediente. Sein Herz begann zu flattern. Nervös wischte er sich die Handflächen an der Anzughose ab. Am liebsten wäre er zurück in den Waschraum gelaufen, aber wenn das so weiterging, würde er es wirklich nicht bis zum 21-Uhr-Telefonat nach Hause schaffen.
Er begann zu zittern, weil er sich nicht entscheiden konnte, was er tun sollte.
Da hörte er ein Geräusch hinter sich und fuhr herum.
Ein Mann in blauem Overall stand hinter ihm, die Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen und ein Klemmbrett vor der Brust, das sein Namensschild verdeckte.
Von der Statur her konnte es der Maler vom Vormittag sein, aber was tat der noch hier, weit nach Feierabend? Nein, er täuschte sich. Der Maler hatte einen weiÃen Arbeitsanzug getragen.
»Gut, dass ich noch jemanden antreffe«, sagte der Mann und hakte etwas auf seinem Klemmbrett ab. »Sie müssen mir helfen, sonst werde ich nicht fertig.«
»Aber â¦Â«
Der Mann unterbrach ihn. »Sie sind Mieter hier?«
»Ja, aber â¦Â«
»Welches Büro?«
Georg nannte ihm seine Daten, und der Mann schrieb sie auf und nickte zufrieden. »Sie sind verpflichtet, mich zu unterstützen.«
»W-wo steht das? W-wobei?«, stammelte Georg perplex.
Was wollte der Mann von ihm? Verpflichtet? Das hörte sich amtlich an.
»Dies ist ein Notfall.«
Notfall! Georg hob die Schultern. Was sollte das? Hatte sich heute alles gegen ihn verschworen?
»Haben Sie niemand andâ¦Â«
»Gemäà den Vorschriften kann ich auch nicht warten, bis mir die Firma jemanden schickt. Aber so beruhigen Sie sich doch! Es geht ganz schnell, nur eine Ãberprüfung. Ich muss in den Aufzugraum oben und werde mich über die Sprechanlage bei Ihnen melden â in Ordnung?«
»Sprechanlage?«
Georg sah sich suchend um. Erlaubte sich da jemand einen Scherz mit ihm?
»Dort, im Bedienfeld im Lift, das runde Gitter.«
»Da gehe ich nicht rein!«
»Okay, ich werde laut genug reden.« Der Mann zog die Kappe tiefer ins Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf. Georg machte einen Schritt vorwärts und konnte Pfefferminzatem riechen. Er hätte etwas dafür gegeben, dem Mann in die Augen schauen zu können, um zu eruieren, ob er ihm trauen konnte. Nun, den autoritären Bewegungen nach zu urteilen wusste der Mann, was er tat.
»Sie warten, bis der Lift wieder hier bei Ihnen hält, okay?«, befahl der Mann mit knappem Handzeichen, dann trat er in die Kabine, drückte den obersten Knopf und kehrte Georg den Rücken zu, während sich die Lifttür leise zischend schloss.
Stille.
Georg sah sich um. Und wenn er einfach davonging? Aber der Mann kannte seinen Namen. Wenn nun wirklich ein Notfall eintrat, würde man ihn verantwortlich machen.
Es dauerte nicht lange, da hielt der Lift wieder vor ihm und öffnete sich.
»Hören Sie mich?«, quäkte es leise aus dem Innern.
Georg machte einen Schritt zur Schwelle und beugte sich vor. »Ja.«
»Ich verstehe Sie nicht. Sie müssen näher ans Mikrofon kommen.«
Näher? Das würde bedeuten, den Aufzug betreten zu müssen.
Ganz langsam begann sich der Flur vor seinen Augen zu drehen. Er konnte da nicht
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