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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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Ich kam mir vor wie ein Zirkuspferd, und Georg weinte, weil er nicht wollte, dass ich mich schämte. Immerzu wurde er gegen uns ausgespielt. Ständig forderte mein Vater von ihm, er solle beweisen, dass er kein Versager ist. Aber je mehr er den Befehlen gehorchte, umso erbärmlicher fühlte er sich. Vielleicht ist er deshalb so geworden, wie er heute ist. War.«
    Jörg sah sie mitfühlend an. »Dein Vater … Wie ist er eigentlich gestorben?«
    Â»Bitte, Jörg, ich will nicht darüber reden.«
    Â»Aber warum denn nicht? Was ist damals geschehen?«
    Â»Was geht dich mein Vater an? Warum bohrst du schon wieder in der alten Geschichte herum? Ausgerechnet heute, wo Georg … O mein Gott. Ich kann es noch gar nicht …« Ebba schlug sich die Hand vor den Mund. »Ich habe Mama noch gar nicht informiert, und Rosie auch nicht.«
    Jörg zog sie an sich. »Lass sie schlafen. Morgen früh ist Zeit genug.«
    Â»Wie lange kannst du bleiben?«
    Er sah zur Uhr und zögerte. »Solange du mich brauchst.«
    Â»Red keinen Unsinn. Du hast doch Fototermine ausmachen wollen.«
    Er sah erleichtert aus. »Kommst du allein klar?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Sicher? Aber wir könnten noch zusammen frühstücken. Ich fahre gleich los und besorge alles. Was für eine Kaffeemaschine hat dein Bruder eigentlich? Pads, Kapseln oder …«
    Â»Pfefferminztee.«
    Â»Autsch.«
    Dankbar strich Ebba ihm über den Arm. Bei all dem Schmerz, der sie in immer größeren Wellen überschwemmte, war sie in diesem Moment mehr denn je davon überzeugt, den Richtigen getroffen zu haben. Er machte ihr Mut, glaubte an sie und konnte ihr Trost spenden. Und, was noch wichtiger war: In seiner Gegenwart fühlte sie sich sicher. Zum ersten Mal in ihrem Leben.

Acht
    Mittwoch,11. April 2007
    Â»Wer ist Thomas?«, flüsterte Frieda Seidel und bohrte Ebba ihren Ellbogen in die Rippen.
    Ebba schreckte aus ihren Gedanken hoch, die so gar nicht in eine Friedhofskapelle passten. Immer noch hatte sie es ihrer Mutter nicht verziehen, was sie ihnen angetan hatte. Ein Familiengrab! Was für eine Schnapsidee! Georg an der Seite seines Vaters. Und Frieda, Rosie und sie selbst sollten eines Tages folgen. Aberwitzig. Sie hatte es nicht fassen können, als ihre Mutter ihr nach Georgs Tod am Telefon gestand, was sie vor vielen Jahren angerichtet hatte.
    Â»Ich konnte nicht anders«, hatte Frieda am anderen Ende gejammert. »Hätte ich ein Einzelgrab genommen, wäre das verdächtig gewesen. Und allein will ich nicht neben ihm liegen. Auf keinen Fall. Nicht neben Bruno. Das kann keiner von mir verlangen. Nicht nach allem, was er mir …«
    Ihre Stimme hatte begonnen, sich vor Panik zu überschlagen, sodass Ebba sie schnell unterbrach. »Schon gut! Niemand muss Papa Gesellschaft leisten. Georg erst recht nicht. Sein Platz ist in Heidelberg bei seiner Frau.«
    Â»Wenn Maria in ihre Heimat zurückkehrt, wie sie es mir gestern gesagt hat, wäre er ganz allein. Wer soll sich dann um ihn kümmern?«
    Â»Wir können ihn einäschern lassen.«
    Â»Niemals!«
    Â»Und wer soll das Grab in Baden-Baden pflegen? Ich vielleicht?«
    Â»Sei nicht so herzlos, Elisabetha. Es ist dein Bruder.«
    Â»Im Grab von Papa. Ich geh da nicht hin.« Erst in diesem Augenblick war ihr klar geworden, dass sie es schon bei dessen Beerdigung hätte merken müssen: Brunos letzte Ruhestätte war viel zu überdimensioniert gewesen für ein Einzelgrab.
    Â»Dann beauftrage den Friedhofsgärtner. Ich bezahle das.«
    Ebba hatte die Augen verdreht. »Es geht nicht ums Geld, Mama!«
    Und dann hatte ihre Mutter die Keule herausgeholt. »Aber du bist es uns schuldig.«
    Schuldig, schuldig, schuldig , das Wort war wie eine Billardkugel in ihrem Kopf herumgeschossen. Es begann in ihrem Schädel zu pochen, zu kratzen, zu kreischen. Schuldig! Schuldig!
    Ebba hatte das Telefon genommen und war ans Fenster getreten, um in den Regen zu sehen und ihre Fassung wiederzuerlangen. Niemand war schuld. Sie hatten keine andere Wahl gehabt.
    Â»Aber wieso ein Familiengrab, Mama?«, versuchte sie es ein letztes Mal, obwohl sie sich eingestehen musste, dass die Schlacht bereits verloren war.
    Â»Ihr seid ja nicht mitgekommen zum Trauergespräch. Ich konnte nicht ablehnen, als der nette Bestatter vorschlug, wenigstens im Tode alle friedlich vereint zu sein. Er war

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