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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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ausgeliefert, den sie nicht einmal sehen konnte.
    Im Laufe der Zeit hatte sie sich alle möglichen Hilfsmittel zurechtgelegt, die ihr die Stunden in der engen Kabine nicht gar so todbringend erscheinen ließen. Oft nahm sie – wie Rosie bei Bahnreisen – Valium, aber für die kurze Strecke von Mallorca lohnte sich das nicht. Nach der Landung, die schon angekündigt war, wollte sie sofort topfit sein. Jörg wollte sie abholen, und dann würden sie endlich einen Abend miteinander verbringen, bevor sie sich morgen in aller Herrgottsfrühe und noch vor Öffnung der Galerie ins Auto setzen und in Freiburg nach ihrer Mutter sehen würde.
    Ein Ruckeln ging durch die Reihen, dann noch eines, und dann begannen ein paar Passagiere zu klatschen, was nur gedämpft durch die Wachskügelchen in ihren Ohren drang. Unsicher blinzelte sie. Trotz der üblichen Ermahnungen standen die ersten Passagiere bereits auf und begannen, in den Gepäckboxen über ihren Köpfen herumzukramen. Da wagte Ebba einen Blick durchs Fenster. Vertrauter Tower, Schwarzwaldhöhen.
    Jetzt konnte es ihr nicht mehr schnell genug gehen, und sie verfluchte sich und ihre dumme Angst, die sie stets einen Platz in der allerletzten Reihe buchen ließ, wo sie sich ein wenig sicherer fühlte, was aber auch den Nachteil hatte, dass sie nun als Letzte in Richtung Ausstieg trieb.
    Wie die übrigen Passagiere auch tippte sie ihre PIN -Nummer ins Handy, das sie etwas überängstlich schon bei Betreten der Schalterhalle in Palma ausgeschaltet hatte. Sie erwartete eigentlich nur die höfliche Stimme von Frau Hilpert auf ihrer Mailbox, mit Nachrichten über Kunden, die zurückgerufen werden wollten, über Kaufanfragen, die der Galerie wegen ihrer Abwesenheit entgangen waren, bis hin zu offenen Rechnungen, die nicht pünktlich beglichen worden waren.
    Mit einer Nachricht des Krankenhauses hatte sie trotz der Sorgen um ihre Mutter, die sie eigentlich während des ganzen Aufenthalts auf Mallorca geplagt hatten, nicht wirklich gerechnet, und während sie dem Appell lauschte, sofort einen gewissen Dr. Guttenberg zu kontaktieren, wurden ihr die Knie weich. Es musste nichts Schlimmes bedeuten, beruhigte sie sich. Die letzten Tage hatten die Schwestern auf der Station bei ihren Anrufen stets das Gleiche gesagt: »Unverändert.« Auch heute Morgen noch. Warum jetzt Dr. Guttenberg? Noch dazu dringend?
    Am Gepäckband notierte sie sich die Nummer des Arztes und rief ihn zurück. Innerlich bebend zählte sie die Ruftöne mit, während sie sich einzureden versuchte, dass die Sache harmlos enden würde. Er brauchte wahrscheinlich nur ihre Einwilligung für eine neue Therapie.
    Aber so war es nicht.

Fünfzehn
    Donnerstag, 26. Februar 2009
    Es war erbärmlich.
    Irgendwo schepperte dünn eine Glocke, die Kälte des Steinfußbodens kroch unbarmherzig durch Schuhe und Strümpfe, jede Bewegung hallte in der leeren Friedhofskapelle. Sie waren nur zu zweit; niemand sonst hatte es für nötig befunden, Frieda Seidel zur letzten Ruhe zu begleiten. Weder ihre einstige fromme Bet-Familie vor Ort noch die Heuchler aus Freiburg, selbst Pfarrer Claus hatte angegeben, eine Beerdigung in der eigenen Gemeinde zelebrieren zu müssen. Entschuldigt waren natürlich Maria, für die die Reise zu weit gewesen wäre, und Jörg, der zwar angeboten hatte, Ebba zuliebe auf ein Fotoshooting zu verzichten, was sie aber vehement abgelehnt hatte. Er hatte ihre Mutter ja gar nicht gekannt.
    Jetzt bereute Ebba ihren Entschluss. Nur zwei Menschen zum letzten Abschied – das war doch armselig!
    Krampfhaft starrte sie geradeaus zum Sarg ihrer Mutter und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Iris und Narzissen in den Thujengestecken lagen wie bei Georg darauf, ein paar rote Nelken steckten als kleine Farbtupfer in dem Kranz, den Rosie extra bestellt hatte.
    Ihre Schwester neben ihr schluchzte wie ein Kind, die kahlen Wände der achteckigen Kapelle warfen die spitzen Laute wie in einem Kanon zurück. Wenn es nur schon vorbei wäre! Weinen brachte einen nicht weiter. Ihre Mutter war tot. Daran war nichts zu ändern. Es war ihr eigener Wille gewesen, aus dem Leben zu scheiden, ob man das nun glauben wollte oder nicht. Der liebe Gott hatte sie sogar unterstützt und ihr eine tödliche, durch Krankenhauskeime ausgelöste Lungenentzündung geschickt.
    So war es, auch wenn die Polizei bis zuletzt

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