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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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wünschte sich inbrünstig, ohnmächtig zu werden, bevor er auftauchte, aber noch wirkten die Infusionen: Gegen Abend war sie oft auf der Schwelle zurück ins Leben. Dann kam er und gab ihr nach seinen endlosen, quälenden Monologen etwas zum Schlafen, das kurz nach seiner Ankündigung kalt in ihre Blutbahn lief.
    Inzwischen hatte sie vor der dann einsetzenden Schwärze und der Kälte, ja selbst vor dem Tod keine Angst mehr, wohl aber vor seinen Worten, die so unheimlich waren. Er war genau informiert über das, was damals geschehen war. Wie konnte er davon wissen? Es war ein Geheimnis, sie hatte es nicht einmal Pfarrer Claus gebeichtet, und die Kinder würden ebenfalls nie, nie, niemals ein Wort darüber verlieren.
    Da! Sie hörte an der Art, wie die Tür aufgedrückt wurde, dass er es war. Wenn sie doch nur genug Kraft aufbringen könnte, um den Notruf zu betätigen!
    Aber nein. Sie konnte es einfach nicht.
    Leise Schritte, der vertraute, inzwischen verhasste Geruch nach Pfefferminz, dann schrammte ein Stuhl über den Linoleumboden, senkte sich die rechte Seite ihrer Matratze. Sie stellte sich vor, wie er auf dem Stuhl Platz nahm, wie er vielleicht den weißen Kittel, oder was immer er trug, das nach sauberer Wäsche roch, sorgfältig aufknöpfte, wie er einen Arm auf ihrem Bett aufstützte, um nahe an ihr Ohr zu gelangen, in das er gleich seine grausamen Worte flüstern würde.
    Sie strengte sich an, die Augenbrauen zusammenzuziehen oder die Lider nach oben zu bewegen, aber es gelang ihr nicht. Nicht einmal weinen konnte sie, nur diese abgrundtiefe Angst spüren.
    Â»Jaaa«, hörte sie ihn hauchen, »wir sind unterbrochen worden, aber da bin ich wieder. Deine Elisabetha fliegt nach Mallorca, nicht wahr? Du wirst tot sein, wenn sie zurückkommt, das verspreche ich dir. Es wird nicht mehr lange dauern. Aber vorher muss ich dir noch etwas erzählen.«
    Die Matratze bewegte sich unmerklich, und Frieda schöpfte einen Funken Hoffnung.
    Herr, verschone mich, wollte sie beten, aber sie vermochte es nicht. Alles verschwamm. Das Mittel, das er ihr kurz vor dem Besuch ihrer Tochter gegeben hatte, wirkte schon.
    Aber es wirkte noch nicht stark genug, als dass sie vor seinen Worten in die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit hätte fliehen können.
    Â»Ich möchte dich an die Nacht des Unheils erinnern. Du weißt, welche ich meine, nicht wahr? O jaaa, das tust du ganz genau. Damals warst du nicht in der Kirche. Du hast es genauso gewollt wie die anderen. Und niemand von euch hat sich überlegt, was ihr damit womöglich anrichtet. Auch du nicht. Ob vielleicht Unschuldige darin verwickelt werden, war dir egal. Ob ihr das Leben völlig Fremder zerstören könntet, war dir egal. Der Herr würde dich ja von aller Schuld reinwaschen, nicht wahr? Aber dem ist nicht so. Und deshalb bist du hier. Und deshalb bin ich hier. Wie ich es genieße, deine Angst zu riechen! So war es auch bei Georg, nur ging es bei ihm leider viel zu schnell.«
    Frieda erschrak, als er über ihren Arm strich, aber sie konnte die Berührung nicht verhindern. Einmal nur wollte sie ihm noch in die Augen sehen können, einmal ihm sagen, was für ein unbarmherziger Teufel er war, der sich an sie herangeschlichen und ihre Arglosigkeit und seelische Notlage ausgenutzt hatte.
    Sie wollte schreien, auf sich aufmerksam machen, ihrem hilflosen Zustand entrinnen, aber sie konnte nicht. Konnte nicht. Konnte nicht …
    Die Hände fest gefaltet, die Augen zugekniffen, die Muskeln angespannt, saß Ebba drei Tage später steif auf dem Rückflug in der letzten Reihe der kleinen Maschine und erwartete jeden Augenblick eine Bruchlandung. Das war das Schlimmste an ihrem Beruf, diese Flüge nach Mallorca oder Sardinien, wo die betuchtesten Baden-Badener luxuriöse Zweit- oder Drittvillen besaßen und diese mit Kunst ausstaffieren ließen. Beide Inseln waren mit Direktflügen von Baden-Baden zu erreichen, und so dachten die meisten wahrscheinlich, ihr auch noch einen Gefallen zu tun, wenn sie sie baten, die kostbaren Werke persönlich vorbeizubringen und ein paar sorglose Tage an ihren Pools oder am Privatstrand des Mittelmeers zu verbringen. Im Prinzip stimmte das, nur waren Flugzeuge für Ebba noch schlimmer als jede Truhe oder jeder Schrank. In Flugzeugen war sie nicht nur eingesperrt, sondern auch noch hilf- und machtlos dem Handeln eines unbekannten Menschen

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