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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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beobachtet?«
    Â»Wenn ich zur Arbeit komme, liegt die Flasche schon da. Seit ein paar Jahren kontrolliere ich das Grab am Vorabend – da ist noch nichts.«
    Â»Also bringt sie jemand nachts. Wer macht denn so etwas? Ausgerechnet Blutwurz.«
    Ebba bekam eine Gänsehaut. Der Lieblingsschnaps ihres Vaters auf seinem Grab – das konnte kein Zufall sein. Machte sich jemand einen makabren Scherz, oder steckte mehr dahinter? Etwas, wovor sie Angst haben musste?
    Ihr wurde übel. Überdeutlich sah sie plötzlich die schlanke Flasche vor sich. Wie viel Elend der Alkohol über sie alle gebracht hatte! Elend und zuletzt auch Schuld. Aber daran wollte sie nicht denken. Ihre Mutter war tot, die Einzige, die ihnen den Vorfall mit schöner Regelmäßigkeit vorgehalten hatte. Nun waren die ewigen Vorwürfe für immer verstummt.
    Der Gärtner scharrte mit dem Stiefel in der dünnen Schneeschicht, machte aber keine Anstalten zu gehen.
    Â»Wie soll das denn nun weitergehen?«
    Â»Was geht Sie unser Grab an?«
    Â»Das fällt unter Grabschändung. Ich muss das unterbinden, vor allem, wenn es sich nicht um einen Brauch Ihrer Familie handelt. Daran hatte ich zuerst gedacht, deshalb habe ich Sie bislang nicht offiziell verständigt. Ich dachte, es reicht, wenn ich Sie mal am Grab sehe und mit Ihnen sprechen kann, aber, na ja …«
    Der Unterton gefiel ihr nicht. Natürlich hätte sie längst, wenigstens Georg zuliebe, regelmäßig nach dem Rechten sehen sollen, aber allein die Vorstellung, den Namen Bruno Seidel zu lesen … Nein, es ging nicht. Und so würde sie weiterhin keine Blumen auf dieses Grab legen, auch jetzt nicht, da der Sarg ihrer Mutter hinzugekommen war. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie Frieda in Freiburg bestattet, Familiengrab hin oder her. Rosie hatte jedoch darauf bestanden, dass sie neben Georg ihre letzte Ruhe finden sollte.
    Â»Ich würde später am liebsten auf dem Friedhof in Holm beerdigt werden wollen«, hatte Rosie ihr am Abend zuvor gestanden, als noch einmal die Sprache auf die makabre Idee mit dem Familiengrab gekommen war. »Aber das geht ja nun nicht mehr; Mami wollte uns alle beieinanderhaben, das kann ich auch wieder verstehen.«
    Â»Ich nicht. Tu mir bitte einen Gefallen, falls ich vor dir sterbe: Lass mich verbrennen!«
    Worauf Rosie ihren nächsten Weinkrampf bekam, den Ebba nur mit einem kräftigen Schluck sizilianischem Rotwein ertrug, was wiederum ihre Schwester zu einem vorwurfsvollen Blick veranlasste. Rosie rührte niemals Alkohol an, auch Georg und ihre Mutter hatten es so gehalten und stets das Gesicht verzogen, wenn sich Ebba an Weihnachten zum Festessen eine teure Flasche aufgemacht und sich ein Glas genehmigt hatte. Sie hatte das Alkoholiker-Gen ihres Vaters nicht geerbt, das hatte sie im Laufe der Jahre herausgefunden; sie konnte nach ein, zwei Gläsern aufhören. Und sie mied Hochprozentiges, weil ihr schon bei dessen Geruch schlecht wurde.
    Das Räuspern des Gärtners brachte sie wieder zurück auf den Friedhof.
    Er wartete wahrscheinlich auf eine Entscheidung. Ebba unterdrückte die Angst, die sich herangeschlichen hatte, und öffnete ihre Handtasche.
    Â»Bestimmt ist alles ganz harmlos«, sagte sie, auch um sich selbst zu beruhigen. »Würden Sie bitte weiterhin die Flasche einfach wegräumen? Es wird ja sonst nichts zerstört, nicht wahr? Warten Sie …« Sie kramte in ihrer Geldbörse, aber der Gärtner schüttelte den Kopf, sodass die Tropfen des geschmolzenen Schnees davonflogen.
    Â»Ich will kein Geld. Ich möchte, dass es aufhört. Das gehört sich nicht«, sagte er bockig.
    Ebba seufzte. »Also gut, dann eben nicht. Aber ich weiß auch nicht, wie ich das abstellen kann.«

Sechzehn
    Sehnsüchtig schielte Rosie zu ihrer Schwester, die mit einem Unbekannten redete, dessen Gesicht sie nicht erkennen konnte. Bestimmt handelte es sich um etwas Wichtiges, sonst hätte Ebba sie nicht allein gelassen. Sie wusste ja, dass sie sich vor der Tiefe des ausgehobenen Grabes fürchtete und mit ihrem steifen Bein nicht lange stehen konnte, ganz zu schweigen davon, dass sie bei Schnee hilflos war. Ein falscher Schritt, ein unglücklicher Ausrutscher, und sie saß womöglich für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl, hatte ihr vor ein paar Jahren ein Orthopäde prophezeit, der entsetzt gewesen war, dass man sie nach der

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