Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
Vom Netzwerk:
hinauszutragen, war die Kommissarin wieder verschwunden, und Ebba hatte alle Hände voll zu tun, Rosie auf dem schneeglatten Weg zu stützen.
    Entgegen ihrer Vorstellungen ließ es sich der Pfarrer nicht nehmen, ein paar Worte am Grab zu sprechen, dann war es vorbei. Gefrorene Erdbatzen polterten in die Grube des unseligen Familiengrabs, während ihnen Schneeflocken ins Gesicht und in den Mantelkragen wehten.
    Wer von uns wird die Nächste sein?, schoss es Ebba angesichts der drei Namen auf dem Grab plötzlich durch den Kopf. Bruno, Georg, Frieda – kein Mitglied der Familie Seidel war eines natürlichen Todes gestorben, jedenfalls nicht in ihren Augen. Auch Georgs Tod war doch höchst merkwürdig gewesen. In einem Aufzug! Das war genauso widersinnig wie Friedas Tabletten. Im Gegenteil, es war … Ja, es war unheimlich! Ihre Kopfhaut zog sich zusammen, und sie tastete automatisch nach ihren Haaren.
    Um sich nicht noch weiter in irgendwelche Gruselgeschichten zu verrennen, versuchte sie sich abzulenken und sah sich verstohlen um. Im selben Moment zuckte sie zusammen: Da war er wieder, der seltsame Mann. Wie bei Georgs Beerdigung stand er, zum Glück wieder ohne Flasche in der Hand, etwas abseits, stumm und steif, aber unbeugsam, als habe er alle Zeit der Welt und könne in Ruhe abwarten, bis sie endlich bereit war, mit ihm zu reden.
    Sachte löste sie sich von Rosie, die mit gefalteten Händen dastand und sich offenbar Zeit lassen wollte, und lief auf den aufdringlichen Kerl zu. Es war alles andere als pietätvoll, Angehörige während einer Beerdigung zu belästigen.
    Â»Was wollen Sie?«, herrschte sie den Mann in dem gefütterten grünen Overall und der dicken Wildlederjacke mit gedämpfter Stimme an. Unter seiner Pudelmütze sah er von Nahem erheblich älter aus, als sie zunächst geschätzt hatte. Vierzig vielleicht?
    Seine Haut war wettergegerbt, und seine dunklen Augen blitzten sie freundlich an, was sie erst recht irritierte.
    Â»Frank Buschert von der Friedhofsgärtnerei«, stellte er sich vor, und seine Stimme klang sympathisch. Ebba schnupperte. Er hatte eindeutig keine Fahne, sondern roch nach einem Pfefferminzbonbon, das aus der Tüte zu stammen schien, die er ihr mit einem feinen Lächeln hinhielt.
    Sie schüttelte den Kopf. »Also?«
    Â»Zunächst mein Beileid. Das war Ihre Mutter, nicht wahr?«
    Ebba schob die Unterlippe vor. Was wollte der Kerl? Geld für die Grabpflege?
    Â»Ich wollte Ihnen schon seit Längerem eine Mitteilung machen«, fuhr der Mann fort.
    Â»Wegen der Schnapsflasche?«
    Der Mann nickte überrascht. »Genau. Jedes Jahr liegt eine auf dem Grab. Immer halb leer.«
    Â»Blutwurz?«, entfuhr es Ebba unwillkürlich, und ein leises Brummen setzte in ihrem Kopf ein.
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Dann haben Sie das veranlasst? Ich muss Sie bitten, das zu unterlassen. Glasabfall gehört in den Container für …«
    Das Brummen verstärkte sich. »Noch einmal von vorn bitte – ich verstehe gar nichts.«
    Â»Jedes Jahr am 26. März liegt morgens eine halb leere Flasche Schnaps auf diesem Grab.«
    Â»Seit wann?«
    Â»Seit 1996. An dem Tag ist mein Sohn Lukas geboren. Nächstes Jahr wird er konfirmiert.«
    Â»Liegt auf den anderen Gräbern auch öfter etwas herum?«
    Er schüttelte den Kopf und nahm seine Mütze ab, drehte sie in den Händen. Schneeflocken setzten sich in seinen Stoppelhaaren fest.
    Ebba dachte nach. Das Datum sagte ihr nichts. Der 26. März war ein x-beliebiger Tag, kein Geburtstag, kein Jahrestag in der Familiengeschichte, nichts. Warum sollte jemand jedes Jahr an diesem Tag ausgerechnet zu Bruno Seidels Grab pilgern? Es gab niemanden, der nach seinem Tod noch Kontakt zur Familie gehalten hatte. Die sogenannten Freunde waren damals über Nacht in der Versenkung verschwunden, selbst die Familienmitglieder hatten sich ja in alle Winde verstreut, nur sie selbst war später nach Baden-Baden zurückgekehrt.
    Â»Es kann sich nur um eine Verwechslung handeln, oder um einen dummen Scherz«, murmelte Ebba. Oder steckte vielleicht doch einer der Saufkumpane ihres Vaters dahinter? Wer? Und warum? Ihre Namen hatte sie nicht mehr im Kopf. Vielleicht kam einer von ihnen an seinem eigenen Geburtstag oder sonstigem Gedenktag zur Grabstätte seines einstigen Freundes, um alte Zeiten zu begießen.
    Â»Haben Sie jemanden

Weitere Kostenlose Bücher