Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
Vom Netzwerk:
reetgedeckten, rot verklinkerten Katen, die Schutz und Gemütlichkeit verhießen, von Eisschollen, die sich am Strand übereinanderschoben, von nadelfeinen Regentropfen, die sich in klamme Haut bohren wollten, von kahlen Baumkronen und knorrigen Weidenstämmen, die in der Winterdämmerung zu Gnomen und bizarren Fabelwesen werden konnten, von heißen Groggläsern, die in kleinen, kargen Fischerkneipen im Rausch wilder Geschichten beschlugen.
    Und Ebba ließ sich treiben, erlebte seinen Ausflug mit allen Sinnen mit, spürte sein Frieren, sein Schwitzen und sein Sehnen nach ihr, erstaunt und berührt.
    Es war wirklich wie ein Traum, ein wunderschöner Traum. Wohlig schloss sie die Augen und überließ sich diesem Gefühl der Harmonie und Vertrautheit.
    Seine Hände fuhren über ihre Arme, ihren Hals, den Rücken hinunter, öffneten Knöpfe, streiften ihr Kleid ab, und seine warme Stimme flüsterte ihr Komplimente und kleine unwiderstehliche Liebesschwüre ins Ohr, sein Körper war warm, vertraut, aufregend. Alles war gut.
    Bis das Telefon klingelte.
    Â»Nicht rangehen«, murmelte Jörg und knabberte an ihrem Ohrläppchen, während er sie zum Bett zog, fort vom Küchentresen mit dem Telefon.
    Einen Augenblick lang war sie versucht nachzugeben, nur eine winzige Sekunde. Sie sah ihm an, wie wichtig es ihm war, dass sie ihm dieses Zeichen gab, dass auch er ihr wichtig war, sie sollte ihm beweisen, dass es in dieser Minute nichts auf der Welt geben durfte, das den Zauber zerstörte. Aber es ging nicht. Nicht jetzt.
    Jörg hielt ihre Hand fest, mit einem Lächeln, das immer starrer wurde, je länger das Telefon schrillte und schrillte und Ebba mit jedem Klingelton ein Stück weiter vom Traum vom Glück wegzog.
    Â»Das ist bestimmt Rosie. Ich muss mit ihr reden. Es ist wichtig.«
    Â»Das kannst du in einer Stunde auch noch.«
    Â»Vielleicht erreiche ich sie dann wieder nicht.«
    Â»Bleib hier, bei mir, Ebba, nur dieses eine Mal!«
    Zu spät. Die Kälte war zurückgekehrt, das vertraute Gefühl der Distanz, die Rettung vor etwas, das nicht zu beherrschen gewesen wäre.
    Es war besser so. Sicherer.
    Zögernd machte sie sich los, und er ließ es geschehen, auch wenn seine Augen nicht mehr blau sondern fast schwarz waren und er seine Hände zu Fäusten ballte.
    Â»Ebba, wenn du jetzt gehst …«, sagte er leise.
    Â»Gib mir Zeit, bitte!«
    Â»Die wird dir nie reichen. Komm zurück, lass es uns versuchen. Ich wünsche es mir so sehr.«
    Doch sie ging weiter, bis sie den Küchentresen erreicht hatte, und nahm den Apparat auf.
    Â»Rosie?«
    Im Hintergrund gab Jörg einen enttäuschten Laut von sich. Sie drehte ihm den Rücken zu, was nicht unbedingt hilfreich war, denn nun sah sie sich im Fensterglas gespiegelt, eine aufgelöste, halb nackte Frau mit abstehenden Haaren.
    Â»Birds do it …«, lockte Ella Fitzgeralds Stimme, während Ebba sich bemühte, ihren Verstand einzuschalten. »Rosie, wo warst du? Warum gehst du nicht ans Telefon? Bist du komplett verrückt geworden?«
    Ihre Schwester reagierte anders als erwartet, sie entschuldigte sich nicht, sie machte sich nicht klein, sie druckste nicht herum.
    Â»Was hast du denn?«, entgegnete sie stattdessen schnippisch.
    Ebba war sprachlos. »Du hast dich seit Freitag nicht gemeldet! Ich versuche dich seit gestern pausenlos zu erreichen.«
    Â»Ich kann doch auch mal ein Privatleben haben.«
    Â»Du?« Ebbas Wut verrauchte. Sie angelte sich die Wolldecke und kuschelte sich auf die Couch, und die Wärme kehrte zurück, zumindest äußerlich.
    Â»Sag das noch mal. Wer ist es? Hast du schon mal von ihm erzählt? Wie sieht er aus?«
    Â»Er ist Arzt, ich habe ihn Freitag auf der Zugfahrt kennengelernt und …«
    Aus dem Augenwinkel sah Ebba, wie Jörg in seine Hose stieg, das Hemd zuknöpfte und sich zu seinen Schuhen bückte.
    Â»Nein, warte!«, rief sie, und damit waren alle beide gemeint. »Rosie, ich ruf dich gleich zurück, ja? Jörg, bitte, einen Augenblick.«
    Â»Wir telefonieren morgen, okay?« Rosies Stimme klang immer noch fremd, verträumt, als sei sie gerade aus tiefem Schlaf erwacht.
    Jörg machte eine barsche Handbewegung, wie ein Stoppzeichen, schüttelte den Kopf und presste seine Lippen so stark zusammen, dass sie weiß wurden.
    Alarmiert ließ Ebba den Hörer auf die Decke

Weitere Kostenlose Bücher