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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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während sie die Hände hinter ihrem Rücken verschlungen hielt, um deren Zittern in Jörgs Gegenwart zu verbergen.
    Dabei hätten ihre Finger am liebsten die schmalen Falten geglättet, die sich um seinen Mund zogen und die vor ihrer Trennung noch nicht da gewesen waren.
    Trotzdem war sie froh gewesen, dass er sie nicht nach ihrem Befinden fragte, denn wahrscheinlich hätte sie ihm nur schwer verbergen können, dass es ihr nicht gut ging, dass er ihr fehlte. Sie ging viel ins Festspielhaus, ins Theater, in die kleinen Blues-Vorstellungen und Konzerte der Stadt, fuhr zu den großen Ausstellungen, nahm sich für ihre Kunden alle Zeit der Welt, sodass ihre Geschäfte besser liefen denn je. Sie hatte sogar in Erwägung gezogen, Rosie zu Weihnachten einen Besuch abzustatten, was diese vor Kurzem aber seltsam fahrig, fast ängstlich abgelehnt hatte. Irgendetwas stimmte da oben im Norden nicht, aber Rosie rückte einfach nicht mit der Sprache heraus. Ja, sie bestritt sogar, jemals erwähnt zu haben, dass sie jemanden kennengelernt hatte.
    Â»Meine Güte, Rosie, du hast es mir doch selbst gesagt«, hatte Ebba mehr als einmal irritiert nachgebohrt.
    Â»Du musst dich verhört haben«, hatte sie erst beim letzten Telefonat wieder gesagt bekommen, und diesmal hatte sie nicht lockergelassen.
    Â»Das meinst du nicht im Ernst, oder? Ist es aus zwischen euch? Ist das der Grund, warum du nicht darüber reden willst? Aber dann täte dir doch ein Besuch von mir erst recht gut. Oder willst du nach Baden-Baden kommen? Dich ein wenig ablenken?«
    Â»Nein, um Gottes willen, auf keinen Fall. Weder ich zu dir, noch du zu mir.«
    War das die liebe Rosie? Sie schien wie verwandelt zu sein. Ebba hatte daraufhin versucht, sich die letzten Telefonate ins Gedächtnis zu rufen, die sie – leider mit großen zeitlichen Abständen – miteinander führten. Nein, es war stets alles in Ordnung gewesen. Aber da hatten sie auch meist über Georg oder ihre Mutter geredet, oder darüber, wie es Maria wohl ging, und vor allem, wie ihre Geschäfte liefen. Rosie hatte erst so komisch reagiert, als Ebba das Thema Besuch ansprach. Merkwürdig. Ihr hatte es auf der Zunge gelegen nachzuhaken, aber da sie selbst auch nicht über ihr Privatleben ausgefragt werden wollte, hatte sie das Thema fallen gelassen. Rosie schien darüber erleichtert gewesen zu sein. Übertrieben erleichtert, fast hysterisch, und in Ebba hatten ganz leise Alarmglocken zu läuten begonnen.
    Â»Nenn mir wenigstens für Notfälle eine Telefonnummer«, hatte sie sie gebeten.
    Â»W-wie meinst du das?«, hatte Rosie gestottert.
    Â»Herrje! Wenn ich dich bei dir zu Hause oder im Laden mal nicht erreichen kann, wie damals, kurz nach Mamas Beerdigung. Ich bin fast verrückt geworden, weil du dich so lange nicht gemeldet hattest.«
    Â»Meine Güte, das ist doch lange her!«
    Â»Oder hast du inzwischen endlich ein Handy?«
    Â»Ich bin immer erreichbar, ich brauche keins. Lass mich bitte in Frieden.«
    Wieder hatte Ebba gestutzt. Es war überhaupt nicht Rosies Art, so schnippisch zu reagieren oder überhaupt Einwände zu machen.
    Â»Geht es dir wirklich gut?«
    Â»Ja, doch. Also schön, ich gebe dir die Nummer meiner Angestellten Inken Sörensen in Schleswig.«
    Mehr hatten sie sich nicht zu sagen gehabt, so traurig das auch für Schwestern sein mochte. Sie musste es akzeptieren. Es gab nichts mehr, was sie verband, außer der Vergangenheit, die für sie beide jedoch nicht mehr existierte.
    Nachdenklich drehte Ebba das Sektglas in ihrer Hand und warf einen Blick zu Frau Hilpert, die den Abend wie immer professionell meisterte, hier nachschenkte, dort Häppchen anbot, Visitenkarten verteilte und einsammelte, immer lächelnd, immer souverän.
    Ein ähnliches Bild gab sie selbst wahrscheinlich auch ab, unabhängig davon, wie es in ihrem Innern aussah. In diesem Punkt waren ihre Assistentin und sie sich sehr ähnlich. Auch wenn Frau Hilpert sie kürzlich sehr überrascht hatte, als sie auf einem schweren Motorrad an ihr vorbeidonnerte. Zuerst hatte sie sie gar nicht erkannt, bis Frau Hilpert langsamer geworden war und das Visier ihres Helms hochgeschoben hatte, mit einem breiten Lachen im ungeschminkten Gesicht und einem bärigen Urgetüm hinter sich auf dem Soziussitz.
    Müdigkeit machte sich in Ebba breit, wie so oft in letzter Zeit. Länger als 23 Uhr

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