Im Dunkel der Schuld
sich vor ihr. »Ich bin der Gastgeber. Sie mögen keinen Karneval, stimmtâs? Geht mir genauso, aber bitte verwenden Sie das nicht gegen mich. Als eingeheirateter Kölner hat man keine Chance, da muss man zu allem Alaaf schreien und ausharren, bis auch der letzte Jeck genug hat.«
Er seufzte theatralisch und zwinkerte ihr zu. »Kommen Sie, wir verdrücken uns für ein paar Minuten ins Garagenhaus. Da können wir reden.«
Ebba folgte ihm über einen geräumten, gepflasterten Weg zu einem Anbau, in dessen lange Frontseite mehrere Holztore eingelassen waren. Kaufmann öffnete eines der Tore und machte eine einladende Handbewegung.
In der warmen Halle standen mehrere Oldtimer nebeneinander, ganz hinten auch ein dunkelblauer Ferrari und ein schwarzer Porsche Cayenne.
»Die Autos für den Alltag haben wir im Freien geparkt«, sagte Kaufmann, als er ihrem Blick folgte. »Die Wagen da hinten gehören meiner Frau. Die Oldtimer sind mein Spielzeug. Aber kommen wir zu Ihnen. Sie sind die Tochter von Bruno Seidel, nicht wahr?«
Die Ãbelkeit verstärkte sich wieder in Ebba, und sie konnte nur nicken, was sie ärgerte. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, das nachts im Atelier alten Männern vorgeführt wurde.
»War bestimmt nicht leicht für Sie als Kind. Bruno war ein schrecklicher Choleriker und Trunkenbold, oder? Entschuldigen Sie, man soll nicht auf diese Weise über Tote reden, aber â¦Â«
»Es stimmt ja.«
»Ich habe gehört, dass Sie seinen Nachlass verwalten.«
Ebba sah ihn überrascht an. Ein gieriger Zug war auf seinem glatten Gesicht erschienen. Wie alt mochte der Mann sein? Weit über siebzig, hatte sie im Kopf. Dann war er sicher geliftet. So maskenhaft glatt sah niemand in dem Alter aus. Er war ihr unsympathisch, aber sie versuchte, ihre Aversion zu verbergen. Bestimmt kam sie nur daher, dass er ihren Vater erwähnt hatte.
»Würden Sie sie mir zeigen?«
»Was?«
»Ein Bruno Seidel würde sich in meiner Sammlung gut machen. Kennen Sie mein kleines Privatmuseum eigentlich?«
Ebba nickte. Maurer hatte sie gestern dort hingeschleppt. Imposante Räume in einer alten Villa und eine liebevoll zusammengetragene Sammlung, die es mit der des Baden-Badener Sammlers Frieder Burda durchaus aufnehmen konnte. Allerdings war das Museum erheblich kleiner, und die wenigen Stellflächen wurden den Kirchners, Mackes, Marcs, Noldes und Beckmanns nicht gerecht.
In der Tat, die düsteren Gemälde hinter ihren Stahltüren würden sich gut in dieser Gesellschaft machen. Trotzdem sagte sie: »Sie sind unverkäuflich.«
»Sie versündigen sich. Die Bilder sind viel Geld wert. Und warum? Weil sie gut sind und die Ãffentlichkeit sie sehen sollte. Sie haben doch bei der Eröffnung Ihrer Galerie einige verkauft. Warum jetzt nicht mehr?«
»Weil es ein Fehler gewesen ist.«
»So tief sitzt der Hass?«
Ebba verzog das Gesicht. Kaufmann hatte wahrscheinlich recht. Vielleicht war es das, was sie daran hinderte, sich von dem Ballast zu trennen. Sie kannte jeden einzelnen verborgenen grausamen Pinselstrich darauf. Doch vielleicht sollte sie sich einen Ruck geben und wenigstens ausgewählten Interessenten einige Bilder anbieten. Warum bekam sie sofort Kopfschmerzen bei dem Gedanken? Es wäre bestimmt eine Befreiung. Warum ging es nicht? Es war, als würde sie hinter den Stahltüren einen Dämon gefangen halten, der sich auf sie stürzen würde, wenn sie die Türen öffnete. Sie würde Gefahr laufen, überall diesem Albtraum zu begegnen, in Museen, Galerien, Stiftungen, Banken, groÃen Unternehmen. Nie konnte sie mehr sicher sein, wenn sie ein groÃes Gebäude betrat, ob dort nicht ein Bruno Seidel lauerte. Nein, es ging nicht. Noch nicht. Sie war noch nicht fertig mit ihm. Solange er sie dermaÃen zu quälen vermochte, konnte sie ihn nicht freilassen.
»Versprechen Sie mir, an mich zu denken, wenn Sie Ihre Meinung ändern?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf absehbare Zeit der Fall sein wird«, presste sie hervor. »Ist es sehr unhöflich, wenn ich jetzt gehe?« Wenn sie noch länger über die Bilder und ihre Entstehung nachdachte, würde sie ersticken.
»Darf ich Ihre Galerie in Baden-Baden einmal aufsuchen? Und würden Sie mir dann den Gefallen tun und mit mir im Brenners Parkhotel dinieren? Sie haben dort eine vorzügliche
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