Im Dunkel der Schuld
schüttelte den Kopf. »Wir sind doch sicher gleich fertig.«
Er ging um den Schreibtisch herum, beugte sich vor und legte seine breite Hand, die voller Sommersprossen und feiner rotblonder Härchen war, auf die ihre, die den Bügel ihrer Handtasche umklammerte.
»Kennen Sie jemanden hier? Sollen wir jemanden anrufen?«
»Ja. Rosie. Aber die geht nicht ran.«
»Sonst niemanden?«
»Inken Sörensen, aber die kenne ich nicht persönlich.«
»Die Angestellte im âºEulennestâ¹?«
Ebba nickte.
»Müsste jeden Moment eintreffen. Besaà Ihre Schwester einen roten Wollschal?«
Ebba kniff die Augen zusammen und nickte.
»So einen?«
Sie musste die Augen öffnen. Nur so konnte sie den Irrtum aufklären. Bestimmt hatte der Schal ein anderes Muster oder andere Fransen oder â¦
»Aber davon gibt es viele. Das sagt gar nichts.«
Asmus schob ihr ein Plastiktütchen hin. »Und die Uhr?«
»Die ist ja völlig kaputt.«
Schweigen.
»Sie hatte eine mit einem dunkelgrünen Armband, ja. Aber sie hatte bestimmt mehrere. Ich habe auch drei, eine goldene, eine silberfarbene und diese hier mit dem schwarzen Lederarmband.«
»Hatte sie besondere Merkmale? Piercing, Tätowierung, Narben?«
»Ja! Das Bein. Ihr rechtes Bein ist steif. Ein Knochenbruch, der nicht richtig zusammengewachsen war. Das schlieÃt doch wohl aus, dass es Rosie ist, oder?«
Innerlich flehend sah Ebba den Wikinger an, doch er nickte nicht, sondern starrte ausdruckslos auf die Akte vor sich. Sie konnte sehen, wie sich sein Kiefer verschob, als würde er mit den Zähnen knirschen. Dann blickte er auf, und die schwarze Gewissheit in seinen Augen traf sie bis ins Mark.
Es gab keinen Schmerz, keinen Aufschrei, kein Entsetzen, keinen Zweifel. Nur Leere.
Der Hals wurde ihr trocken, und sie leckte sich über die Lippen.
Asmus sprang auf. »Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
»Nicht nötig. Geht schon. Kann nicht möglich sein. Was ist denn passiert? Und warum? Wann? Wie denn nur? Wikingturm â was ist das?«
»Ein Hochhaus im Bereich der Marina in der Schlei.«
»Aber wie kam sie da hin? Sie litt unter Höhenangst. Niemals hätte sie freiwillig ein Hochhaus betreten, geschweige denn den achten Stock.«
»Es war ihre Eigentumswohnung.«
»Wie bitte?«
»Sie hat die Wohnung Anfang letzten Jahres gekauft.«
»Das muss ein Irrtum sein.«
»Der Verkauf ist beim Notar beurkundet worden und im Grundbuch eingetragen.«
»Eine Wohnung in einem Hochhaus. Aber warum? Sie hat doch das Haus in Arnis! Hören Sie, ich würde gern so schnell wie möglich dort hinfahren. Vielleicht ist sie längst zu Hause. Vielleicht â¦Â«
»Wir waren heute früh da und haben uns umgesehen. Wir haben dort einen Computer gefunden â¦Â«
»Mir hat sie gesagt, sie hat nur im Geschäft einen.«
»⦠auf dem mehrere Texte eingegeben worden sind, die man als Abschiedsbriefe interpretieren könnte. Offenbar bekam sie ihre Höhenangst nicht in den Griff. Alle Texte handeln davon. Auch der, den sie ausdruckte und den wir neben der Handtasche aufgefunden haben. Hier ist eine Kopie.«
Er reichte ihr ein Blatt.
Ebba streckte abwehrend die Hände aus. »Kein Abschiedsbrief, bitte. Nicht schon wieder.«
»Wie meinen Sie das?«
»Meine Mutter hat sich auch angeblich das Leben nehmen wollen und einen Brief hinterlassen. Sie hatte ihn nicht zu Ende schreiben können, weil das Schlafmittel vorher wirkte. Ich habe schon damals nicht an einen Selbstmordversuch geglaubt.«
Asmus beugte sich vor. Er sah alarmiert und sehr konzentriert aus. »Erzählen Sie mir mehr darüber. Blieb es bei dem Versuch oder â¦Â«
Ebba schüttelte den Kopf. »Sie ist später an einer Infektion gestorben, die sie sich im Krankenhaus geholt hat.«
»Hat die Polizei den Fall â¦Â«
»Und ob«, unterbrach Ebba ihn. »Sie haben alles untersucht und sind bei ihrer Theorie vom Selbstmordversuch geblieben. Das ist jedoch genauso unmöglich wie die Sache mit Georg.«
»Wer ist Georg?«
»Mein Bruder. Er ist in einem Lift gestorben. Obwohl er Lifte gefürchtet hat. Genauso, wie Rosie Höhenangst hatte.«
»Das werden wir überprüfen«, sagte Asmus ernst. »Aber wollen Sie jetzt erst einmal den Brief �«
Ebba nahm das Blatt auf. Ihre Finger zitterten so,
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