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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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auf den Boden und nahm seine Mütze ab. »Beileid. Schreckliche Sache. Die arme Frau. Sie war schon weggebracht worden, als die Polizei mich verständigte. Ich war in der ›Seemöwe‹, wissen Sie, mein freier Abend. Musste der Polizei die Wohnung aufschließen.« Er hob den Schlüsselbund. »Jetzt darf aber niemand mehr rein. Polizeisiegel. Sehen Sie?«
    Â»War die Wohnung wirklich leer?«
    Â»Absolut. Kein Stuhl, kein Tisch, nichts. Nur eine Handtasche lag auf dem Boden und ein Blatt Papier. Und die Tür zum Balkon stand auf. Nicht mal eine Lampe hat sie angebracht, da baumelte nur eine nackte Glühbirne von der Decke. Aber sie war öfter hier. Alle ein, zwei Wochen ließ sie die Wohnung grundreinigen. Merkwürdig, oder? Wir haben uns alle darüber gewundert, ich, meine Frau und meine Schwägerin, die da sauber machte. Wollen Sie mit ihr sprechen? Sie wohnt unten, im ersten Stock.«
    Â»Gern. Ich wollte gerade die Nachbarn nach Rosie befragen, aber sie machen nicht auf. Vielleicht haben sie gestern etwas mitbekommen. Oder sonst einmal etwas gehört oder Kontakt zu meiner Schwester gehabt.«
    Â»Glaub ich kaum. Die rechte Wohnung gehört einem Ehepaar aus Österreich, beide begeisterte Segler. Die verbringen nur ihren Sommerurlaub hier, zwei Wochen im Jahr, mehr nicht. Das könnten sie im Hotel billiger haben. Manche Menschen wissen nicht, wohin mit dem Geld, und kaufen überall Ferienwohnungen. An der Schlei, auf Mallorca und in Sankt Moritz …«
    Â»Und die linke?«
    Â»Steht zum Verkauf. Wollen Sie rein? Ist genauso geschnitten wie die Wohnung Ihrer Schwester. Alle Wohnungen sehen gleich aus, wie Tortenstücke. Gottlob sind sie in letzter Zeit renoviert worden. Sie glauben gar nicht, wie das hier vor ein paar Jahren ausgesehen hat. Regelrechtes Gesindel hat hier gehaust. Ich sag’s Ihnen!« Er fummelte am Schloss herum und stieß die dunkelbraune Holztür auf.
    Ebba blieb enttäuscht an der Schwelle stehen. Der Zuschnitt war so – so überschaubar! Obwohl die Wohnung leer war, wirkte sie winzig, wenngleich die atemberaubende Aussicht vieles wettmachte. Schön war das, so hoch über allem. So frei. Aber doch nicht für Rosie. Wie hatte die überhaupt einen Fuß in die Wohnung setzen können, ohne Atemnot, Schwindel, Schweißausbruch und Herzrasen?
    Â»Haben Sie meine Schwester gekannt?«
    Der Mann kratzte sich am Kopf. »Nicht direkt. Aber meine Schwägerin. Kommen Sie, ich bringe Sie zu ihr.«
    Ebba trat ans Fenster und sah hinunter auf die Wasserfläche, die bleigrau zwischen den Eisschollen schimmerte, blickte in den wolkenverhangenen, schneeschweren Himmel, dann betrachtete sie schaudernd den Einschnitt des innenliegenden Balkons. Sie öffnete die Glastür und trat hinaus. Sofort zerrte der Wind an ihr und ließ sie frösteln.
    Die Brüstung war hoch. Sie würde einen Stuhl brauchen, um es zu tun. Rosie war größer gewesen als sie, aber trotzdem: Da musste man sich schon sehr anstrengen, um zu fallen oder zu springen. Aber Rosie hatte es getan. Sie sollte diese Tatsache akzeptieren und nicht weiter in Frage stellen. Asmus hatte ihr schon vor dem Frühstück telefonisch mitgeteilt, dass man Rosie mit Hilfe des Zahnschemas einwandfrei identifiziert hatte.
    Da sei noch etwas, hatte er gemurmelt, schien in einem dicken Papierstapel zu blättern, hatte sich geräuspert, bis Ebba Angst bekam.
    Â»War sie schwanger?«
    Â»Wie? Oh, o nein. Nein, das nicht. Hatte Ihre Schwester ein Alkoholproblem?«
    Â»Machen Sie Witze? Rosie trank keinen Schluck.«
    Â»Man hat in ihrem Blut eins Komma acht Promille gefunden.«
    Ebba fiel der Hörer fast aus der Hand. »Sagen Sie das noch mal.«
    Â»Sie haben richtig gehört, Frau Seidel, eins Komma acht. Vielleicht ist der Anruf von Silvester, der Sie so erschreckt hatte, unter diesen Umständen verständlicher?«
    Â»Rosie war nicht betrunken. Sie hatte Angst. Sie lallte nicht, und sie sprach auch keinen Unsinn. Glauben Sie mir das bitte. Rosie hat nie Alkohol getrunken. Nie. Keinen Tropfen. Das ist vollkommen ausgeschlossen. Oder …« Ebba dachte nach. Eins Komma acht Promille, das klang nach einem Laborergebnis, das man nicht anzweifeln konnte. Wenn sie es aber nicht in Frage stellen durfte, bedeutete dies eigentlich nur eines.
    Â»Das ist der Beweis, hören Sie?«, rief sie aufgeregt. »Jemand muss ihr

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