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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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dünnen Strümpfe und Schuhe, durch den Mantel und den Rollkragenpullover bis in alle Hautporen. Von den Zehenspitzen bis zur Nase war sie ein einziger Eisklumpen, äußerlich wie innerlich.
    Sie merkte es kaum, sondern betrachtete den achteckigen Turm, der deplatziert hinter dem Wasser aufragte. Siebenundzwanzig Stockwerke, neunzig Meter Höhe, 241 Apartments, Baujahr 1970 bis 1973. Das waren die Fakten, die sie sich über das Internet besorgt hatte und die ihr nicht ausgereicht hatten.
    Sie hatte den Turm gestern schon mit eigenen Augen sehen wollen, die Wohnung, den Balkon, doch Asmus hatte sie vertrösten müssen. Das Haus in Arnis und ebenso die Wohnung im Turm würden noch für einige Tage für die Spurensicherung versiegelt bleiben müssen, hatte der Kommissar gesagt.
    Ebba blinzelte, teils, um sich gegen den scharfen Wind zu schützen, der ihr die Tränen in die Augen trieb, teils, weil sie den Anblick kaum glauben konnte. Was für ein hässlicher Klotz das war! Bestimmt die höchste Erhebung Schleswig-Holsteins. Eine Beleidigung für den formschönen Dom, der sich wie ein mahnender Finger ins Blickfeld schob.
    Wie war Rosie nur auf die Idee gekommen, sich hier eine Wohnung zu kaufen? Ebba hatte vorhin mit dem Makler telefoniert, der sich noch sehr gut an ihre Schwester erinnern konnte.
    Â»Sie hat die Wohnung genommen, ohne sie richtig besichtigt zu haben. Das ist mir noch nie passiert. Sie blieb an der Tür stehen, warf einen kurzen Blick hinein und fragte, wann schnellstmöglich ein Notartermin anberaumt werden könne. Sie hat sich die Küche nicht angesehen, nicht mal ans Fenster wollte sie treten, geschweige denn auf den B… Oh, Entschuldigung. Stand ja heute in der Zeitung. Mein Beileid noch mal. Was werden Sie jetzt machen?«
    Â»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
    Â»Wenn Sie die Wohnung verkaufen wollen, dann …«
    Â»Wie kommen Sie …«
    Â»Wer beerbt Ihre Schwester? Hatte sie Kinder? Vielleicht könnten Sie meine Telefonnummer …«
    Ebba hatte aufgelegt, verärgert über seine Geschäftstüchtigkeit und nachdenklich zugleich. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Vielleicht gab es ein Testament zugunsten des großen Unbekannten. Er würde sich doch nicht umsonst an Rosie herangemacht haben.
    Vielleicht hatte sie ihm Geld überwiesen, oder sie waren zusammen in einem Hotel gewesen, das auf einer Kreditkartenrechnung auftauchte, oder sie hatte ihm ein typisch männliches Geschenk gekauft, das seine Existenz bewies. Vielleicht würde die Polizei ihr ja doch glauben und nach dem Mann fahnden.
    Wie sie Asmus einschätzte, wühlte er sich bereits durch Rosies Belege. Wonach würde er suchen? Hatte sie ihn überzeugen können, dass es einen Unbekannten gab? Mehr als eine Vermutung war es ja kaum.
    Doch Ebba war mehr denn je davon überzeugt, dass nur ein Fremder Rosie zu so etwas Verrücktem wie dem Kauf einer Wohnung im achten Stock hatte überreden können.
    Vielleicht war das Apartment ihr heimliches Liebesnest gewesen, auch wenn es völlig leer gewesen war, wie Asmus gestern berichtet hatte. Vielleicht gehörte dem Unbekannten eine andere Wohnung in dem Gebäude? Würde die Polizei alle Mieter und Besitzer überprüfen? Hatten Nachbarn vielleicht etwas mitbekommen?
    Energisch näherte sie sich der markanten Eingangstür, deren dicke Streben für sie mehr wie ein liegendes Kreuz als wie ein X aussahen. So viele Klingelschilder! Ebba drückte auf ein paar, bis der Summer ertönte, dann stieg sie hinauf, froh, dass Rosie nicht ein Apartment im obersten Stock genommen hatte, und voller Hoffnung, endlich ein erstes Puzzlesteinchen im Rätsel ihrer Schwester zu finden.
    Aber da war nichts.
    Rosies Wohnung war versiegelt, kein Laut war zu hören. Sie klingelte links und rechts, nichts. Nicht einmal Namensschilder gab es.
    Irgendwo setzte sich der Aufzug in Bewegung, dann hielt er in ihrer Etage. Zischend spuckte er einen Mann aus, dessen grauer Kittel sich über einem Bierbauch spannte und dessen schwarze Haare sich störrisch gegen seine Schiffermütze wehrten. Der Mann hatte einen Schlüsselbund in der einen Hand und einen Werkzeugkasten in der anderen. Er musterte sie argwöhnisch.
    Â»Zu wem wollen Sie?«
    Â»Kennen Sie sich hier aus?«
    Â»Ich bin der Hausmeister.«
    Â»Rosie Seidel war meine Schwester.«
    Der Mann stellte den Werkzeugkasten

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