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Im Dunkel der Schuld

Im Dunkel der Schuld

Titel: Im Dunkel der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hampp
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den Alkohol eingeflößt haben. Gegen ihren Willen! Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
    Sie hörte Asmus am anderen Ende seufzen, und das überzeugte sie mehr als alles andere, dass sie selbst nachforschen musste. Irgendetwas war im Leben ihrer Schwester passiert, und sie musste es herausfinden.
    Jetzt beugte sie sich über das Geländer, kurz nur, während sie die dicke Metallstange fest umklammerte. Achter Stock – das war hoch. Ihr wurde schwindelig, und sie versuchte sich vorzustellen, wie sich ihre Schwester gefühlt hatte, wenn sie dazu noch angetrunken war. Sie konnte es nicht. Alles in ihr sträubte sich, ihre Schwester mit Alkohol in Verbindung zu bringen.
    Die Schwägerin des Hausmeisters war groß und hager. Sie trug eine ärmellose, geblümte Kittelschürze über dem Pullover und presste ihre schmalen Lippen aufeinander, als die Sprache auf Rosie kam.
    Â»Ganz pingelig ist sie gewesen. Ich wusste gar nicht, was ich da putzen sollte. War ja alles sauber und unbewohnt. Aber sie bestand darauf, und was das Unmöglichste war: Sie kontrollierte mich auch noch. Nicht ein Haar durfte zurückbleiben. Und immer sollte ich ganz früh am Morgen kommen. Das passte mir natürlich gut, lief nebenher. Mir untersteht noch eine Schule, wissen Sie? Die nehmen nicht jeden. Da muss man gründlich sein, zuverlässig und pünktlich.«
    Â»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen? Wie sah sie da aus? Hatte sie Angst oder war sie …«
    Â»Tut mir leid, das lief alles telefonisch, und das Geld lag in meinem Briefkasten. Meistens wollte sie mich montags haben.«
    Â»Hat sie Post bekommen? Pakete? Haben Sie …« – Ebba schluckte – »leere Flaschen oder benutzte Gläser weggeräumt?«
    Die Frau verneinte.
    Â»Könnte es sein, dass sie in der Wohnung Besuch empfing? Einen Mann vielleicht?«
    Wieder Kopfschütteln. »Selbst das Badezimmer sah immer picobello aus, wie unbenutzt. Nicht mal Handtücher oder Klopapier gab es. Manchmal wollte ich den Job schon aufgeben, weil mir das ein bisschen unheimlich vorkam.«
    Â»Aber?«
    Â»Die Bezahlung stimmte. Hören Sie, ich habe das gestern schon der Polizei erzählt. Der Kommissar hat mich auch nach einem Mann gefragt. Aber ich habe nie jemanden gesehen, ich schwöre es.«
    Ebba klapperte noch ein paar Wohnungen ab. Wenn überhaupt jemand öffnete, dann hatte er oder sie nichts bemerkt. Ähnlich ging es ihr wenig später, als sie mit einem Leihwagen nach Arnis fuhr.
    Sie fand das Haus auf Anhieb, was keine große Kunst war. Das Einzige, was sich hier vielleicht einmal änderte, war der Blumenschmuck vor den Häusern. Und dafür war es noch die falsche Jahreszeit. Auch die Rosenstöcke links und rechts der mit roten Tulpen und schwarzen Ornamenten bemalten Eingangstür sahen noch wie abgestorben aus. Rein äußerlich mochte Ebba das Puppenhaus ihrer Schwester, das sich harmonisch in das Ensemble der Hauptstraße einfügte. Wie zum Appell standen die kleinen Gebäude mit ihren einheitlichen Spitzgiebeln zur Straßenseite, ungewöhnlich eng aneinandergedrängt, und trotzdem war jedes ein Unikat.
    Rosies sah am freundlichsten aus. Links und rechts der mittig angeordneten Haustür befanden sich Sprossenfenster, die sie passend zu den Tulpen in der Tür tomatenrot angestrichen hatte. Darüber, schon im Giebel, gab es zwei weitere Sprossenfenster und unterm Dachfirst noch einmal eines. Alles an dem Haus war niedlich, und Ebba zog unwillkürlich den Kopf ein. Einen Vorgarten gab es nicht, die Häuser standen direkt am Gehweg, dessen rotes Pflaster an manchen Stellen von der Schneedecke freigeschaufelt worden war und der relativ dicht mit Alleebäumen bepflanzt war. Sie trugen ein Nest von zerzausten, dürren Ästen. Beide Straßenseiten sahen gleich aus.
    Es gab keine Büsche oder Hecken, hinter denen man sich oder etwas verstecken konnte. Hier musste eigentlich jeder alles vom anderen wissen. Vor allem, wer in den Häusern ein und aus ging.
    Ebba inspizierte das Polizeisiegel, dann klingelte sie bei den Nachbarn. Manche öffneten ihre sogenannten Klöntüren – Haustüren, die in der Mitte waagerecht geteilt waren, sodass man nicht die gesamte Tür aufmachen musste, wenn man nur reden wollte. In der Sache selbst kam Ebba nicht voran, vielleicht weil niemand etwas von nebenan hatte mitbekommen wollen, vielleicht weil

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