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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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töten, weil alle Polizisten in der Gegend ein Auge auf sie haben.
    »Auf alle Fälle möchte ich Sie bitten, allem, was Virginie Ihnen erzählt, größte Aufmerksamkeit zu schenken. Wir können diesen Fall nur lösen, wenn alle zusammenarbeiten. Mehrere Kinder sind umgebracht und grauenvoll verstümmelt worden, man hat versucht, Sie zu töten und Ihren Bekannten Stéphane Migoin angegriffen; das ist kein Spiel mehr, hier geht es um Leben und Tod. Kann ich mit Ihrer Hilfe rechnen?«
    Zeigefinger. Man kann schließlich einem Typen, der den Moralischen hat, nicht die Unterstützung verwehren. Außerdem bin ich nicht unzufrieden, daß Kommissar Yssart da ist und auf mich achtet, denn ich bin mir voll und ganz darüber im klaren, daß ich die Lage nicht ganz im Griff habe … Plötzlich wird mir bewußt, was er da gerade gesagt hat: ›Grauenvoll verstümmelte Davon war vorher nie die Rede! Wenn ich nur sprechen, ihm Fragen stellen könnte, ich ertrage dieses Stummsein nicht länger! Ich hebe den Zeigefinger.
    »Möchten Sie etwas fragen?«
    Zeigefinger.
    »Lassen Sie mich raten, also … im Zusammenhang mit dem, was ich Ihnen gerade gesagt habe?«
    Zeigefinger. Methodisches Vorgehen hat wirklich seine Vorzüge, das kann man nicht anders sagen.
    »Geht es um die Verstümmelungen?«
    Verdammt, der Typ kann wirklich Gedanken lesen. Der ist nicht Polizist, sondern Hellseher, auf dem Jahrmarkt könnte er damit ein Vermögen verdienen. Eilig hebe ich den Zeigefinger.
    »Wir haben diese Tatsache in den Medien bisher nicht erwähnt, und Ihnen erzähle ich es auch nur, weil ich weiß, daß Sie nicht darüber sprechen werden!«
    Da kannst du sicher sein!
    »Die Opfer wurden nicht nur erwürgt«, er senkt die Stimme und beugt sich zu mir herunter, »sie wurden auch verstümmelt und zwar mit einem Messer, das eine sehr dünne, scharfe Klinge hat. Die Verstümmelungen reichen vom Abschneiden der Hände bei Michael Massenet bis zur Enukleation der Augen im Fall von Charles-Eric Galliano.«
    Enukleation! Das Wort dringt langsam bis zu meinem Gehirn vor, bis ich schließlich begreife, was es bedeutet. Man hat ihm die Augen herausgeschnitten. Ein kleines, verkrampftes Gesichtchen mit leeren Augenhöhlen! Dann muß ich an ›abgeschnittene Hände‹ denken, die Vorstellung daran ist auch nicht viel besser! Plötzlich bedauere ich es, daß Yssart mir jedes Detail erzählen will.
    »Was Renaud Fansten betrifft, so hat es uns damals sehr gewundert, daß er skalpiert worden war. Diese Tat schien völlig unverständlich.«
    Ich versuche etwas aus dem Klang von Yssarts Stimme herauszuinterpretieren, ich klammere mich an meine Schlußfolgerungen; Schlußfolgerungen sind logisch, und Logik gibt Sicherheit, sie verbannt die Enukleation in die dunklen Sphären jener Dinge, die eigentlich nicht passieren. Aber wenn die Opfer verstümmelt waren, hätte die Polizei ja eigentlich schon vom zweiten Mord an wissen müssen, daß es sich um einen Psychopathen handelt.
    »Ich weiß, man könnte jetzt einwerfen, warum hat man nicht gleich einen Zusammenhang zu den ersten Morden hergestellt? Doch bei dem ersten Mord wurde das Opfer, Victor Legendre, einfach erwürgt. Heute denke ich, daß der Mörder bei seiner Arbeit gestört wurde. Das zweite Opfer, Charles-Eric Galliano, wurde erwürgt und die Augen waren … ähm … verschwunden. Erst nach dem Mord an Renaud Fansten begannen wir, einen Zusammenhang herzustellen. Er wurde ebenfalls erwürgt, nicht sexuell mißbraucht, doch skalpiert. Bei dieser Konstellation – Erwürgen, Verstümmelung, kein sexueller Mißbrauch – ist uns plötzlich ein Licht aufgegangen. Wir wollten diese Informationen nicht bekanntgeben, denn bei einem Verhör könnten sie von entscheidender Bedeutung sein. Der Mord an dem kleinen Massenet, der ebenfalls die drei Charakteristika aufwies, hat uns dann in der Annahme, daß wir es mit einem Psychopathen zu tun haben, bestärkt. Wir wissen zwar noch immer nicht, welche Person wir suchen, doch wir wissen inzwischen, welches Persönlichkeitsprofil der Täter hat: Er leidet unter einer Persönlichkeitsspaltung und kann die Taten mit vollem Bewußtsein begangen haben oder auch nicht. Gut. Ich hoffe, ich habe Sie mit diesen ausführlichen Einzelheiten nicht gelangweilt. Jetzt muß ich mich leider verabschieden. Die Pflicht ruft. Bis bald und vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    Schritte auf dem Parkett. Die Tür schließt sich. Ich bleibe allein zurück, ganz benommen von dieser Fülle von

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