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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Gänsehaut. In der Ferne hört man es donnern, ich hole tief Luft, es ist nur ein Gewitter. Aber Steph? Ist er mal kurz in die Büsche gegangen, um sich zu erleichtern, oder was? Warum sagt er nichts mehr? Immer mehr Tropfen fallen auf mich herab, das scheint eine richtige Sintflut zu werden. Ich fühle mich unwohl. Ich weiß nicht, wo wir sind. Ich nehme an, daß wir das Waldstück Vidal durchquert haben, eine für Spaziergänger konzipierte Grünanlage und der kürzeste Weg zu meinem Haus.
    Stephs Schweigen fängt an, mich zu beunruhigen.
    Ah, es geht weiter, der Rollstuhl setzt sich wieder in Bewegung. Trotzdem könnte er mir erklären, was los ist. Ich hebe den Zeigefinger, um ihm zu zeigen, daß ich gegen eine Unterhaltung nichts einzuwenden hätte. Vergebliche Liebesmüh. Aber was ist denn in den gefahren? Er schiebt mich im Eiltempo, ich werde durchgerüttelt und schaukle wild hin und her. Der Typ ist wirklich verrückt.
    Das gefällt mir nicht, o nein, das gefällt mir ganz und gar nicht. Der Rollstuhl wird immer schneller. Ich spüre, wie mir der Wind um die Ohren pfeift. Jetzt regnet es. Dicke Tropfen klatschen mir ins Gesicht. Ach so! Ich bin vielleicht dumm! Er rennt natürlich deshalb so, um dem Regen zu entkommen! Er will nicht, daß wir klatschnaß werden. Trotzdem könnte er mal ein Wort sagen. Eine scharfe Rechtskurve als wären wir hier bei der Ralley Monte Carlo, ich habe das Gefühl, daß ich gleich nach vorne kippen werde. Nun fahren wir einen Abhang hinunter.
    Auf dem Weg zu mir gibt es keinen Abhang.
    He! Der Typ ist vollkommen übergeschnappt! Der Rollstuhl ist gegen ein Hindernis geprallt, und ich wäre beinahe vornüber gekippt. Ich hebe in regelmäßigen Abständen den Zeigefinger, aber er rast weiter stur geradeaus. Ich kann inzwischen nachfühlen, wie es dem Kinderwagen in Panzerkreuzer Potemkin ergangen sein mag. Sobald ich zu Hause bin, werde ich … nun, bei der erstbesten Gelegenheit … also, wenn mich jemand etwas fragen sollte … oh, verfluchter Mist! Ich werde mich nicht einmal über ihn beklagen können, ich kann mich über rein gar nichts beklagen, verdammt noch mal!
    Wir fahren noch immer den Hang hinab. Soweit ich mich erinnere, ist der einzige Abhang im ganzen Park der Weg, der zum Teich führt. Und ich verstehe nicht, warum …
    Oh! Ich falle, jetzt ist es soweit, ich wußte es, ich werde mir weh tun, ich … Wasser, ich bin ins Wasser gefallen, dieser Idiot hat es geschafft, mich in den Teich zu befördern, Wasser, aber, aber ich habe keinen Boden unter den Füßen, ich spüre, wie ich untergehe, aber was macht er denn?! Steph, Steph, ich gehe unter, ich gehe unter, das Wasser schlägt über mir zusammen, ich will atmen, ich will atmen, o nein, nein, nein!

4
    Bin ich tot? Mir tut der Brustkorb weh, es brennt. Ah! Irgend jemand klopft auf mir herum, mitten aufs Herz, noch einmal, Wasser sprudelt aus meinem Mund, ich höre mich husten, ich möchte mich übergeben, ich …
    »Hören Sie mich? He, hören Sie mich? Mist, ich muß ihren Kopf auf die Seite drehen, sieht so aus, als würde sie sich gleich übergeben …«
    Schon passiert. Ich hole tief Luft, ein mächtiger, zugleich schmerzhafter und doch erleichternder Atemzug durchfährt mich, brennt in meinen Eingeweiden. Wasser läuft mir über das Gesicht, es gießt in Strömen.
    »Bleiben Sie ruhig liegen. Gleich geht es besser.«
    Es fällt mir nicht schwer zu gehorchen. Hände heben mich auf, jemand setzt mich hin.
    »Sie haben Glück, daß ich meine Dose mit den Ködern holen wollte. Bei so einem Wetter ist niemand im Park unterwegs.«
    Die Stimme des Mannes klingt etwas bärbeißig. Ich schätze, er ist so um die fünfzig.
    »Und Sie haben Glück, daß ich einen Erste-Hilfe-Kursus gemacht habe.
    Mit dem Wasser, das sie geschluckt haben, hätte man ohne weiteres einen Großbrand löschen können. Machen Sie sich keine Sorgen wegen Ihres Rollstuhls, er ist am Ufer im Wurzelwerk hängengeblieben. Verstehen Sie mich denn wenigstens?«
    Mir wird klar, daß ich ihn mit leerem Blick anstarre, ich habe meine Brille verloren. Ich hebe den Zeigefinger.
    »Sie können nicht sprechen?«
    Zeigefinger.
    »Gut, hören Sie … ich werde Sie jetzt zu meinem Auto tragen, und dann verständigen wir die Polizei, in Ordnung?«
    Zeigefinger.
    Er hebt mich hoch, ich registriere den Geruch nasser Wolle, spüre, daß er Ölzeug trägt. Vorsichtig bewegt er sich auf dem durchweichten Boden vorwärts. Der Regen peitscht uns unbarmherzig ins

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