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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Informationen. Meine Rolle als bevorzugte Vertrauensperson bestätigt sich offensichtlich. Wann wohl der Psychopath selbst vorbeikommt, um mir sein Herz vor meinen hübschen kleinen Ohren auszuschütten, ehe er mir eines abschneidet, um es mit nach Hause zu nehmen und ihm die ganze Nacht lang seine Geschichten zu erzählen? Ich stelle mir Yvettes Entrüstung vor, wenn sie von diesen Verstümmelungen wüßte.
    Aber warum tut ein Mensch so etwas? Dumme Frage, Elise! Der ›Schlächter von Milwaukee‹, der gerade im Gefängnis von seinen Mitgefangenen umgebracht wurde, hat schließlich auch die Schädel seiner Opfer in seinem Schrank aufbewahrt, nachdem er sie zuvor ausgekocht und liebevoll bemalt hatte! Verstehen Sie, was er davon hatte? Nun, er offensichtlich schon. Er wurde wegen der Morde verurteilt und weil er mit einigen der abgeschnittenen Köpfe Sexualverkehr hatte. Das stelle man sich mal vor, ich meine, den Kerl, wie er es gerade tut … Man kann es nicht fassen. Und doch ist es wahr.
    Gelächter aus der Küche. Kochtopfgeklapper, eine Weinflasche wird geöffnet. Ich wette, daß Monsieur Jean Guillaume zum Essen eingeladen wird. Immerhin ist Yvette seit zehn Jahren Witwe, es wäre an der Zeit, daß sie wieder jemanden fände. Aber Yvettes Gefühlsleben ist im Augenblick ehrlich gesagt nicht mein Hauptproblem. Nein, sondern die Tatsache, daß ein Mörder um mich herumschleicht, daß Virginie mich belogen hat, daß sie bestimmt in Gefahr ist, und daß ich nicht weiß, was ich tun soll. Daß ich eigentlich überhaupt nichts tun kann. Außer versuchen, die Sache zu verstehen.
    Warum hat Virginie behauptet, die Morde beobachtet zu haben? Ich bin immer mehr davon überzeugt, daß sie die Leichen zufällig gefunden hat, und was den Rest der Geschichte betrifft, teile ich Yssarts Meinung. Sie verdächtigt jemanden, und damit die ganze Geschichte logisch wird, muß sie einfach Teile davon dazuerfinden.
    Warum hat irgend jemand (und es handelt sich sicherlich um dieselbe Person) Stéphane niedergeschlagen, um mich anschließend in den Teich zu befördern? Wer wollte mich umbringen und warum?
    Wer hat mich in jener Nacht gestreichelt?
    Alles muß sich ineinanderfügen, wie Yssart sagt. Man braucht nur die Tatsachen solange hin und her zu wenden, bis sie sich wie die Teile eines Puzzles richtig zusammenfügen.
    Ist der Mann, der sich einen Scherz daraus gemacht hat, mir Angst einzujagen, derselbe, der mich in jener Nacht – nennen wir die Dinge ruhig mal beim Namen – befummelt hat und der mich jetzt töten wollte? Logischerweise ja. Und doch glaube ich es nicht. Der, der mich gestreichelt hat, war nicht wut- und haßerfüllt. Es war ihm unangenehm, und er hatte Angst, ja, ich habe seine Angst gespürt, seine Scham. Er gehorchte einem unwiderstehlichen Drang, dessen er sich schämte, doch er war weder grausam noch brutal. Es gibt also zwei Männer: Einen Sadisten, der mich mit der Nadel malträtiert und mich vermutlich in den Teich gestoßen hat, und einen Sexbesessenen, der verliebt in mich ist.
    Na, da könnte ich mir auch eine schönere Eroberung vorstellen …
    Langsam wird mir bewußt, daß man versucht hat, mich zu töten. Eigentlich müßte ich jetzt tot sein. Brrr. Und Stéphane? Hätte man ihm den Mord an mir zur Last gelegt? Ein Glück für ihn, daß er niedergeschlagen wurde. Ja, man kann wirklich von Glück reden, denn ohne Zeugen hätte er sonst einen hervorragenden Täter abgegeben. Stéphane … Sein Verhalten ist eigenartig. Hätte er sich selbst mit einem Gegenstand auf den Schädel schlagen können? Und eine Ohnmacht vortäuschen? Warum nicht? Die Kopfhaut blutet sehr leicht, und aktive Sportler haben selten Angst vor Schmerzen. Wenn ich davon ausgehe, daß er mich in den Teich gestoßen hat, daß er mich also umbringen wollte, muß ich auch davon ausgehen, daß er sich den Scherz mit der Nadel erlaubt hat. Und der Mann, der für beides verantwortlich ist, ist höchstwahrscheinlich auch der Kindermörder. Stéphane? Ja, Virginie kennt ihn gut und hat ihn sehr gern. Ach, mein Kopf platzt vor Eindrücken, wenn mich Yvette doch nur ins Bett bringen würde, ich habe Halsschmerzen. Und ich habe Angst. Wenn ich wenigstens wüßte, warum man mich umbringen wollte. Es ist schon schlimm genug, sich vorzustellen, daß einem jemand nach dem Leben trachtet, aber wenn man sich noch dazu nicht verteidigen kann, wird es grauenvoll. Ob er es noch einmal versuchen wird?
    »Ist alles in Ordnung? Frieren Sie auch nicht?

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