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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Bewegung in die Menge; so, es ist vorbei: Sophie Migoin ruht endgültig in Frieden.
    Ferbers laute, joviale Stimme:
    »Ah, unsere liebe Elise! Wie geht’s denn? Gut sehen Sie aus!«
    Nein, also wirklich Ferber, Entschuldigung, aber wenn du glaubst, daß ich dich deshalb wählen werde …
    »Mademoiselle Andrioli hat große Fortschritte gemacht.«
    Ach, Raybaud, scheint ja sehr stolz auf seinen gelehrigen Zögling zu sein.
    Sie unterhalten sich, ohne sich weiter um mich zu kümmern. Um so besser. Ich lausche dem Gemurmel, dem aufgeregten Stimmengewirr der Lebenden. Im Zusammenhang mit tausend verschiedenen Hypothesen fällt immer wieder Stéphanes Name. Es gibt Gerüchte von einer Geliebten, Bankrott, den Morden, Drogen … wenn das so weitergeht, ist er bald Anführer der Mafia oder ein libyscher Terrorist. Jemand klopft mir auf die Schulter.
    »Mademoiselle Andrioli, ich bin es, Florent Gassin. Noch immer keine Neuigkeiten von unserem Freund?«
    Kein Zeigefinger. Das scheint zu einer fixen Idee zu werden.
    »Nun gut. Entschuldigen Sie mich bitte.«
    Die Trauergemeinde löst sich langsam auf, der kalte, schneidende Wind lädt nicht zu längeren Diskussionen ein. Yvette nimmt die Griffe des Rollstuhls.
    »Die arme Sophie … Wenn ich bedenke, daß ich sie am Montag noch beim Metzger getroffen habe … Sie kaufte zwei Schnitzel. Und jetzt … Paul und Hélène sind beim Bürgermeister zum Mittagessen eingeladen. Ich habe ihnen gesagt, daß wir nach Hause gehen. Der Wind ist wirklich kalt … Also los!«
    Wir machen uns auf den Weg. Stéphane ist nicht gekommen. Er ist nicht zerzaust und schweißgebadet aufgetaucht, um »Sophie!« zu schreien und das Rätsel aufzuklären.
    Paul und Hélène essen mit Ferber. Das Leben geht weiter. Natürlich nur für die, die noch leben.
    Auf dem Rückweg ist Yvette recht schweigsam. Um so besser, dann kann ich in aller Ruhe die letzten Neuigkeiten verdauen. Gehen wir also noch einmal alles durch.
    Ein Mann tötet mehrere Kinder. Man vermutet, daß er einen weißen Kombi fährt. In der Forsthütte entdeckt man einen Pullover, der mit dem Blut eines der kleinen Opfer getränkt ist. Auf dem Kragen dieses Pullovers findet man Haare von Stéphane Migoin. Und eben dieser Stéphane Migoin wurde am Steuer eines weißen Kombi gesehen. Und er verschwand in derselben Nacht, in der sich seine Frau umbrachte, nicht ohne zuvor seine Konten geplündert und seine laufenden Geschäfte geregelt zu haben. Ich beantrage lebenslänglich!
    Die Verteidigung hat das Wort:
    Euer Ehren, ich bitte sie dennoch, folgende Punkte in Betracht zu ziehen:
    a)Die Polizei wurde durch einen anonymen Anruf über die blutigen Kleidungsstücken in der Forsthütte informiert. Und wenn sie jemand dort hingelegt hat? Und wenn jemand absichtlich Stéphane Migoins Haare auf dem Kragen deponiert hat?
    b)Die kleine Virginie Fansten behauptet, einen oder mehrere Morde beobachtet zu haben. Aber sie hat nie Stéphane Migoin beschuldigt, dem sie ansonsten keine besondere Sympathie entgegenzubringen scheint.
    c)Ist Stéphane Migoin dumm genug zu fliehen, nachdem alle Indizien gegen ihn sprechen?
    Ich plädiere auf Freisprach mangels Beweisen.
    Ihre Meinung, meine Damen und Herren Geschworenen? Schuldig oder unschuldig? Das Urteil?
    Ich bin so sehr mit meinem imaginären Prozeß beschäftigt, daß ich nicht einmal bemerkt habe, daß wir schon zu Hause sind. Mir ist klar, daß die Verteidigung nur dann eine Chance hat, wenn sie Virginie zum Sprechen bringt. Keine Zeit für Winkelzüge mehr, ich muß Yssart informieren.
    Frage: Wenn Stéphane der Mörder ist und Virginie es weiß, hätte er sie am Leben gelassen? Gute Frage, ich bin stolz auf mich. Aber wie soll ich all das dem Kommissar erklären? In der Bienensprache, in dem ich mit meinem verfluchten Rollstuhl Achter auf dem Parkett fahre? Wenn nur Benoît noch da wäre … Wenn nur … Ich fühlte mich plötzlich deprimiert und habe einen Kloß im Hals, meine Lippen beginnen zu zittern. Ich weine. Das hat es seit dem Unfall nicht mehr gegeben. Man könnte meinen, daß es mir langsam besser geht, daß sich meine Muskeln entkrampfen. Ich weine. Verdammt noch mal, ich spüre, wie die Tränen über meine Wangen rinnen und meinen Mund benetzen. Ich bekomme kaum mehr Luft, es erdrückt mich, ich ersticke. Ich vergieße Krokodilstränen über diesen ganzen Schlamassel, und zugleich bin ich glücklich, weil ich wieder weinen kann. Es gibt Augenblicke, in denen man sich wirklich mit wenig

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