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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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Schritte an der Außenmauer zum Eßzimmer. Sie halten inne. Warum ruft Yvette mir nichts zu? Sie müßte etwas rufen, mir etwas erklären. Ich bin doch nicht tot! Außer, es ist nicht Yvette … außer, es ist jemand, der weiß, daß Stéphane mich angerufen hat …
    Wieder Schritte. Schritte im Regen. Sie bewegen sich ums Haus herum. Irgend jemand beobachtet mich vielleicht durch die Fenster. Ja, bestimmt hat jemand sein Gesicht an die Scheibe gepreßt. Ich fühle mich nackt, fahre mit meinem Rollstuhl rückwärts bis zum Büffet, als könnte ich mich damit vor den Augen schützen, die mich beobachten, ohne daß ich sie sehe, vor jenem Blick, den ich mir kalt und ausdruckslos vorstelle, der nur Interesse an dem Opfer ausdrückt …
    Stéphane, ruf wieder an! Sag mir, daß es nur ein dummes Spiel war, ein alberner Alptraum! Ruf wieder an!
    Schritte auf dem Kies. Die Vorstellung dieser Augen, die ich nicht sehe und die mich beobachten, ist mir unerträglich. Ich habe Angst. Ein Gefühl von Furcht steigt eiskalt und stechend in mir auf. Ist diese verfluchte Haustür wenigstens richtig abgeschlossen?
    Jemand rüttelt an der Türklinke, ich höre das Geräusch ganz deutlich. Ich kann kaum mehr schlucken. Ein Kratzen am Fenster, ich stelle mir vor, wie die Finger über die Scheibe gleiten, lange, ungeduldige, gekrümmte Finger …
    Dann herrscht Stille. Ist ›er‹ gegangen?
    Ah! Der Schlag kommt völlig unerwartet. Splitterndes Glas genau vor mir auf dem Parkett. ›Er‹ schiebt seine Hand durch das Loch, um den Fensterriegel zu öffnen. Ich bin erstarrt, meine Kehle schmerzt so sehr, daß ich schreien möchte. Wer hat das Fenster zerschlagen? Wer versucht hier einzudringen? Verschwinde, verschwinde, wer auch immer du sein magst, laß mich in Frieden! Erbarmen!
    Jemand ist im Wohnzimmer. Das Glas knirscht unter seinen eiligen Schritten. Ich bediene den Knopf an meinem Rollstuhl, um zurückzuweichen. Ein leises Lachen. Virginie? Jemand geht an mir vorüber. Wenn ich nur die Hand ausstrecken könnte, wenn ich nur sehen könnte … Ich presse mich in meinen Sitz und warte auf den Schlag, auf den Nadelstich oder Schlimmeres …
    Ein metallenes Geräusch.
    Plötzlich erklingt eine Stimme im Zimmer, und ich brauche zwei Sekunden, um zu begreifen, daß es der Anrufbeantworter ist.
    Wieder Schritte, die sich mir nähern. Nein, ich will nicht …
    Dieses Schweigen ist das allerschlimmste … Und wenn mir gleich jemand ein Messer in den Magen, in die Augen oder in den Mund stößt … er kann tun, was er will, ich …
    Hupen. Ganz in der Nähe. Drei vertraute Töne. Jean Guillaume! Eilige Schritte zum Fenster, jemand läuft über den Kies. Hinter dem Haus schlägt eine Tür zu. Ich bin derartig erleichtert, daß ich glaube, ohnmächtig zu werden.
    »Was ist das denn? Haben Sie gesehen, Jean? Das Wohnzimmerfenster ist zerbrochen …«
    »Na so was! Warten Sie mal … Kein Wunder, sehen Sie sich das an! Hier, mit dem Stein … Die arme Elise hat Glück gehabt, daß sie ihn nicht mitten ins Gesicht bekommen hat!«
    »Das waren bestimmt wieder diese Lausebengel, die sich am Bahnhof herumtreiben!«
    »Ich wechsle Ihnen die Scheibe heute nachmittag aus, bei diesem Regen weicht sonst noch das ganze Parkett auf.«
    »Alles in Ordnung, Elise? Sie müssen Angst gehabt haben …«
    Kann man wohl sagen, daß ich Schiß hatte. Ich fühle mich so frisch wie ein zusammengefallenes Soufflé! Yvette packt die Einkäufe aus und schimpft dabei über die ungezogenen Bengel. Ich versuche normal zu atmen, nicht zu ersticken. Jean Guillaume macht sich am Fenster zu schaffen. Und plötzlich verstehe ich, was der mysteriöse Besucher hier zu suchen hatte: Er hat Stéphanes Nachricht gelöscht. Wenn er genug Zeit hatte … Stéphane anzugreifen und dann hierherzulaufen, bedeutet das, daß Stéphane mich ganz aus der Nähe angerufen hat. Oder daß sie zu zweit waren. Was hat Stéphane gesagt? ›Grauenvolle Machenschaften.‹ Sieht ganz so aus. Aber warum versucht man, mich in die Sache hineinzuziehen?
    Auf alle Fälle bin ich wieder einmal der einzige Zeuge.

    Seit zwei Tagen verfolge ich aufmerksam die Nachrichten und rechne damit, jeden Augenblick zu hören, daß man Stéphane Migoins Leichnam gefunden hat, doch nichts dergleichen geschieht. Der Regen läßt nicht nach, alle sind angespannt, nervös und aufgeregt. In zu kurzer Zeit haben sich allzu viele Dinge zugetragen, und jeder wartet ungeduldig und ängstlich auf die Auflösung des Falls. Virginie

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