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Im Dunkel der Waelder

Im Dunkel der Waelder

Titel: Im Dunkel der Waelder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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mein Zimmer herein.
    »Hier, die Bettschüssel. Inspektor Gassin ist da. Ich weiß nicht, was ich tun soll, er will wissen, ob Sophie … Glauben Sie, daß ich es ihm sagen soll?«
    Zeigefinger. Sie zieht die Schüssel weg.
    »Bis gleich.«
    Dann geht sie zurück ins Wohnzimmer.
    »So, jetzt habe ich Zeit.«
    »Also, es geht um Sophie Migoin …« setzte Gassin erneut an, die Sache scheint ihm peinlich.
    »Ja, ich habe davon gehört …«
    »Also stimmt es?«
    »Ich denke, ja. Ich habe gehört, wie sie mit einem Mann telefonierte, um sich mit ihm zu verabreden …«
    »Wissen Sie, wer es war?«
    »Nein. Und selbst wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen nicht sagen. Sophie ist tot, Stéphane auch, es macht keinen Sinn, jetzt schmutzige Wäsche zu waschen.«
    »Aber glauben Sie nicht, man sollte eindeutig feststellen, ob Stéphane Migoin wirklich all diese Morde begangen hat?«
    »Ich weiß nicht, was das mit Sophie zu tun hat.«
    »Die Untersuchungsrichterin ist nicht ganz davon überzeugt, daß Stéphane Selbstmord begangen hat. Sie möchte sicher sein, daß es sich nicht um ein Komplott handelt, um ihm die Schuld für die Morde in die Schuhe zu schieben.«
    Nicht dumm, die Frau Richterin. Wie gut, daß es sie gibt!
    »Aber der Brief, den Stéphane hinterlassen hat?«
    »Ja, der Brief, in meinen Augen ein unwiderlegbares Beweisstück. Das glauben auch die Experten von der Kripo. Er wurde auf einer Schreibmaschine geschrieben, und zwar auf eben der, die Stéphane Migoin für seine Geschäftskorrespondenz benutzte. Er wurde also verfaßt, ehe er verschwand, das Format ist dasselbe wie bei all seinen Briefen, und er hat ihn auch selbst unterschrieben.«
    Auf der Maschine geschrieben? Das ändert alles! Als würde ein Typ wie Stéphane sein Geständnis auf der Maschine schreiben! Das machen nur die Intellektuellen. Stéphane sehe ich eher seinen Füllhalter zücken und ordentlich auf ein Blatt Karopapier schreiben …
    »Warum erzählen Sie mir das alles?«
    »Ich bin der Auffassung, daß es Sie angeht. Es war immerhin Ihr Stiefsohn … ich meine, entschuldigen Sie, aber …«
    »Renaud ist tot, Inspektor, und nichts auf der Welt kann ihn wieder lebendig machen. Ich habe die Nase voll von all diesen Geschichten, alles, was ich will, ist meine Ruhe!«
    »Aber zur Ruhe kann man nur durch Wissen gelangen, Madame, die Wahrheit wird Sie beruhigen …«
    »Woher wollen Sie das wissen? Das Wissen ist oft schmerzlicher als Unwissenheit, vor allem, wenn die Wahrheit unerträglich ist. Und was Sie mir da sagen, ist unerträglich.«
    »Sie können sich an die These der Richterin halten, aber ich glaube nicht, daß sie sich bestätigen wird.«
    »Sind Sie fertig? Ich bin sehr beschäftigt.«
    Gassins verwirrte Stimme … Er ist jung, es tut ihm leid, und er verhaspelt sich:
    »Gut, ich verabschiede mich, ich wollte Sie nicht stören …«
    »Auf Wiedersehen, Inspektor.«
    »Auf Wiedersehen, Madame, ich …«
    Die Tür fällt ins Schloß. Geräuschvolles Durcheinander.
    »Idiot! Alles Idioten! Laßt mich doch endlich in Ruhe, verflucht noch mal! Scheiße, Scheiße, Scheiße! Die sollen sich doch alle zum Teufel scheren!«
    Sie schreit und tritt gegen die Möbel. Und ich kann ihr nicht helfen, ich liege wie eine gestrandete Seerobbe auf meinem Bett. Ich höre sie noch ein wenig toben, dann herrscht Ruhe. Sie muß erschöpft sein. Zorn und Kummer erschöpfen. Für mich war es sehr schwer, nicht schreien, toben, weinen, mir die Augen auskratzen, die Haare raufen oder Fußtritte verteilen zu können, als ich meine Lage begriff. Es war hart, mich nicht bis zur Erschöpfung verausgaben zu können, sondern statt dessen in Trauer zu verfallen, es war hart, allein zu sein, ganz auf mein Gehirn reduziert, das unaufhörlich Gedanken, Bilder und Worte aneinanderreiht, und das nicht aufhört zu leben.
    Es ist wieder ruhig geworden. In der Stille höre ich ein anhaltendes Wimmern, ein schmerzliches, angespanntes Wimmern, und ich stelle mir Hélène vor, wie sie dasitzt, den Kopf auf die Arme gelegt und dieses nicht abreißende, schmerzvolle Stöhnen ausstößt, das an ein verletztes Tier oder an ein hilfloses Kind erinnert. Es ist sehr ergreifend, den geheimen Schmerz eines Menschen mitzuerleben. Ich schlucke. Das Wimmern hört nicht auf, es wird lauter und schriller und geht übergangslos in ein rauhes Schluchzen über, dann verstummt sie.
    Schritte. Eine Tür. Der Wasserhahn wird aufgedreht. Sie spritzt sich wahrscheinlich Wasser ins Gesicht.

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