Im Dunkel der Waelder
bin, nicht wahr?«
Ich hebe die Hand. Plötzlich wünsche ich mir, er würde gehen, ich weiß nicht warum, aber mit seiner honigsüßen Stimme widert er mich ein wenig an.
»Dieser Typ ist ein richtiges Schwein, und vor allem, und das wissen Sie vielleicht nicht, hat mir Hélène gestanden …«
»Möchten Sie etwas trinken, Paul?«
»Nein danke, das ist nett, Yvette, aber ich muß gehen, ich habe einen Termin. Bis später, Elise. Auf Wiedersehen.«
Es ist unglaublich, wie ungeniert sich die Leute mir gegenüber verhalten. Ungebeten knallen sie mir irgendeine Information hin, und ebenso plötzlich unterbrechen sie dann ihren Redeschwall, gerade so, als würden sie Selbstgespräche führen. Es gibt auch Leute, die ihrem Schoßhündchen gegenüber solche Monologe halten. Was könnte Hélène in Bezug auf Virginies Vater Paul gestanden haben? In Anbetracht seines Charakters wahrscheinlich nichts Gutes …
Kaum sitze ich eine Stunde im Wohnzimmer und versuche, ein kleines Nickerchen zu halten, läutet es an der Tür. Nun geht es also wieder los: Der Zirkus Andrioli ist Tag und Nacht für groß und klein geöffnet!
»Sie ist im Wohnzimmer!«
»Danke, ich möchte sie unter vier Augen sprechen.«
Entschlossene Schritte.
»Guten Tag. Ich muß mit Ihnen reden, es ist wichtig.«
Gassin. Na, der hat ja in den letzten beiden Tagen an Autorität gewonnen! Ich höre, wie er die Tür zum Flur schließt.
»Erinnern Sie sich an das Päckchen, das Sie im Krankenhaus bekommen haben?«
Um mich daran nicht zu erinnern, müßte ich wohl gehirnamputiert sein, lieber Inspektor. Ich hebe die Hand.
»Gut. Mein Kollege, Inspektor Mendoza, hat bei dem Express-Kurierdienst Erkundigungen eingezogen. Der Absender war ein großer, schlanker, dunkelhaariger Mann. Also derselbe, der den Krankenwagen gerufen hat. Er hat natürlich einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben: Den Namen und die Adresse von Stéphane Migoin.«
Oha, das verstehe ich nicht. Was hat denn der arme Stéphane damit zu tun?
»Klar ist also, daß es sich um jemanden handelt, der bestens über die Ereignisse hier informiert ist, und damit ist auch klar, daß es sich bei dem, was Ihnen zugestoßen ist, nicht um einen einfachen Überfall handelte … Glücklicherweise war er ein wenig unvorsichtig: Er hat einen Fingerabdruck auf der Kassette hinterlassen, die neben Ihrer Stereoanlage lag, Bestie Mensch. Wir haben Nachforschungen in der Zentralkartei angestellt und sind fündig geworden! Wissen Sie, wer der Mann ist, der sich als Kommissar Yssart ausgegeben hat? Der Mann, der das Päckchen aufgegeben hat? Der Mann, der Sie höchstwahrscheinlich angegriffen hat, ehe er dann selbst den Krankenwagen rief?«
Er läßt mich ein oder zwei Sekunden schmoren, ehe er fortfährt:
»Antoine Mercier, genannt Tony, achtunddreißig Jahre alt, 1988 wegen Mordes verhaftet, für unzurechnungsfähig erklärt und in das psychiatrische Krankenhaus Saint-Charles in Marseille, Department Bouches-du-Rhône, eingewiesen worden.«
Tony! Yssart war Tony! Also das … Der Mann, der Hélène den Arm gebrochen hat, als Polizist verkleidet! Tony, der wegen Mordes verurteilt wurde!
»Warten Sie, das ist noch nicht alles«, fährt Gassin aufgeregt fort. »Raten Sie mal, wer Tony Mercier ist! Tony Mercier ist Virginies leiblicher Vater, das haben wir soeben erfahren. Er war von 1986 bis zu seiner Verhaftung mit Madame Fansten liiert. Und wissen Sie, warum er verhaftet wurde?«
Er beugt sich zu mir vor und ich rieche Menthol:
»Wegen Mordes an einem achtjährigen Kind! Er wurde in einem anonymen Brief beschuldigt. Meine Marseiller Kollegen haben eine Hausdurchsuchung bei ihm vorgenommen und einen ähnlichen Strick gefunden wie der, mit dem das Kind gefesselt worden war, sowie Wollfasern vom Pullover des Opfers.«
Ich spüre, wie mir flau wird. Gassin spricht hastig weiter:
»Tony Mercier war allgemein als sehr labil bekannt und hatte ein ellenlanges Vorstrafenregister: Autodiebstahl, Einbruch usw. Er war oft in Schlägereien verwickelt. Er stammt aus beklagenswerten familiären Verhältnissen. Den Eltern, die Alkoholiker waren, wurde das Sorgerecht entzogen, er wurde der Fürsorge übergeben, riß wiederholte Male aus, und den Rest erspare ich Ihnen lieber. Zumeist arbeitslos, hat er auf eigene Initiative hin mehrere erfolglose Entziehungskuren unternommen. Es war allgemein bekannt, daß er Hélène schlug und ihr einmal auch den Arm gebrochen hat. Kurz, selbst wenn er unschuldig
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