Im Dunkel der Waelder
vielleicht erschreckt. Ich war ganz in meine Gedanken vertieft. Aber was will sie denn?
»Ich meine das Päckchen, soll ich es öffnen?«
Ach, das habe ich also gar nicht geträumt? Ein Päckchen für mich? Vielleicht hat mein Onkel Süßigkeiten geschickt? Ich hebe die Hand, um ihr zu zeigen, daß sie es öffnen soll.
»Einen Augenblick … Warum die nur immer soviel Klebeband benutzen …«
Das Papier knistert.
»So. Aber … was ist denn das? Ah, eine Herrenbrille mit einem großen Horngestell, ein Paar schwarze Lederhandschuhe, und das … das ist ein falscher gelber Schnurrbart und das, hm, eine weiße Perücke mit einem leicht gelblichen Stich. Sehr eigenartig, aber ich nehme an, Sie wissen, was das zu bedeuten hat …«
Nein, meine Kleine, ich habe keine Ahnung. Normalerweise empfange ich keine Päckchen, die Scherz- und Kostümartikel enthalten. Hat sich irgendein Clown in der Adresse geirrt? Ein Clown. Gelber Schnurrbart. Schwarze Handschuhe. Yssart!
Mein Gott, es war ein falscher Yssart! Vier Monate lang ist ein falscher Yssart durch die Stadt gelaufen, ohne daß es jemandem aufgefallen wäre! Darum ist er in jener Nacht gekommen, um mir zu sagen, daß er nicht weitermachen könne. Weil der echte Kommissar Yssart gestorben war! Also konnte er mich auch nicht weiter besuchen. Aber … wer ist der falsche Yssart? Und vor allem, woher war er so gut informiert? Und warum wollte er mit mir sprechen?
»Ich muß gehen, bis später.«
Genau, auf Wiedersehen. Plötzlich kommt mir ein unangenehmer Gedanke. Yssart ist in genau dem Augenblick gekommen, als der Typ mit seinem Messer an mir herumschnitt. Ich habe Yssart nicht hereinkommen hören. Und wenn … er es nun gewesen wäre, wenn er sich all die Wochen einen Spaß gemacht und mit mir Katz und Maus gespielt hätte?
Und wie soll ich es den anderen sagen? Wie soll ich mich verständlich machen?
Aber wenn Yssart der Mörder ist, warum ist er dann nachts gekommen, um mit mir zu reden? Und warum hat er die Gelegenheit nicht genutzt, um mich zu töten?
Schluß mit all diesen Fragen! Ich will Antworten! Ich spüre, wie Tränen der Ohnmacht und der Frustration in mir aufsteigen. Wütend knülle ich das Bettuch in der Hand zusammen.
»Na, Elise? Wie es scheint, machen wir ja jeden Tag Fortschritte?«
Raybaud.
»Das ist sehr gut. Das hätte ich nicht für möglich gehalten …«
Er unterbricht sich und hüstelt.
»Ich habe für nächste Woche einen Termin beim Neurochirurgen ausgemacht. Man darf natürlich nicht zu optimistisch sein, denn eine Stagnation im Genesungsverlauf kann jederzeit eintreten, aber das wäre doch auch schon etwas, nicht wahr?«
Aber natürlich! Ich bin sicher, an meiner Stelle wärst du total begeistert.
»Also, ruhen Sie sich inzwischen schön aus, ich komme morgen wieder vorbei.«
Weg ist er.
»Guten Tag.«
Gassin!
»Ich werde Sie nicht lange stören. Ich nehme an, Sie haben von der Sache mit Kommissar Yssart gehört …«
Ich hebe die Hand. Apropos Kommissar, wenn du wüßtest, mein Junge!
»Erinnern Sie sich an das Messer, das wir gefunden haben, das Laguiole? Es hat einen gelben Schildpattgriff und eine etwa zehn Zentimeter lange Klinge, ein zierliches Modell, fällt Ihnen dazu etwas ein?«
Ich überlege. Nein. Doch, es erinnert mich vage an etwas, aber an was? Mein Onkel besitzt ein Laguiole mit einem dunklen Griff. Aber dies … also keine Hand.
»Schade. Es hätte uns weiterhelfen können, den Besitzer zu finden … Wir nehmen an, der Kerl hat im Garten gelauert, und als er Madame Holzinski hat weggehen sehen, die Gelegenheit genutzt. Er war vermutlich überrascht, als Sie zugeschlagen haben, und hat lieber das Weite gesucht. Aber es gibt einen Punkt, den ich nicht verstehe. Wer hat den Krankenwagen angerufen? Die Sanitäter sagen, bei ihrer Ankunft sei ein Mann bei Ihnen gewesen. Hier die Beschreibung: etwa 1,85 groß, sehr schlank, schwarzes Haar, dunkle Augen.«
Yssart! Der echte Yssart! Ohne seine Verkleidung!
»Der Mann hat ihnen gesagt, er wolle auf die Polizei warten. Aber dann war er spurlos verschwunden. Wissen Sie, wer das war?«
O ja, ich weiß es. Was soll ich tun? Ich hebe die Hand und drehe den Arm zur Seite.
»Ähm, warten Sie, wollen Sie mir etwas zeigen?«
Ich hebe die Hand.
»Gut, aber was? Befindet es sich hier im Zimmer?«
Handheben. Ich drehe wieder den Arm.
»Äh … in dem Karton da?«
Handheben. Ich frohlocke. Ich höre, wie er durchs Zimmer geht und den Karton öffnet.
»Verflucht!
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