Im Dunkel der Waelder
gewesen wäre, war sein Schicksal besiegelt. Sein Anwalt hat auf nicht schuldig plädiert und darauf hingewiesen, daß irgend jemand anders das belastende Beweismaterial in Merciers Wohnung hätte bringen können, um ihm die Schuld zuzuschieben. Die Sachverständigen haben ihn für unzurechnungsfähig erklärt. Er wurde inhaftiert. Aber das ist noch nicht alles: Seit 1991 hatte Tony Mercier Freigang, und vor zwei Jahren ist er aus dem psychiatrischen Krankenhaus geflohen!«
Gassin ist so aufgeregt, daß er die letzten Worte heftig hervorgestoßen hat. Ich verstehe den Ärmsten ja: Es ist hart zu erfahren, daß ein mordverdächtiger Verrückter sich als sein Chef ausgibt, unbehelligt in der Stadt seine eigenen Ermittlungen durchführt, vor allem, wenn es sich um den Vater des Mädchens handelt, das einiges über die Morde zu wissen schient, die in der Umgebung eben dieser Stadt verübt wurden …
Natürlich, ein Typ, der seiner eigenen Frau den Arm bricht, kann mich ebensogut mit Nadeln piesacken oder mich mit einem Messer traktieren … Offensichtlich steht der Fall kurz vor der Aufklärung. Alles scheint auf Tony-Yssart als Schuldigen hinzudeuten. Das würde auch Virginies Schweigen erklären. Er hat ihr wahrscheinlich gesagt, daß er ihr Vater ist. Dann hat er Migoin getötet, um ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben! Aber warum hat Hélène ihn nicht erkannt? Vermutlich weil nicht er, sondern der richtige Yssart bei ihr war! Und ich habe mir die Ausführungen dieses Hochstaplers angehört, der sich köstlich amüsiert und sich gefragt hat, wann er mich umbringen wird … Da bin ich ja gerade noch mal davongekommen …
Gassin ergreift meine beiden Hände:
»Meine Theorie ist, daß Tony Mercier der Kindermörder ist. Er hat sich in der Gegend herumgetrieben, um seine Tochter und diejenige, die er noch immer als seine Frau ansieht, aufzuspüren. Alle Zeugenaussagen belegen, daß er ausnehmend besitzergreifend ist und wiederholt seine Frau bedroht hat. Als er sich hier niedergelassen hatte, konnte er dem Drang zu töten nicht widerstehen. Er hat sich als Kommissar Yssart ausgegeben, um die Ereignisse aus nächster Nähe verfolgen zu können. Er ist ein gefährlicher Geisteskranker, und ich befürchte das Schlimmste für Ihre und Hélène Fanstens Sicherheit. Ich möchte nicht, daß Sie hierbleiben. Fahren Sie zu Ihrem Onkel! Ich habe schon mit Hélènes Mann gesprochen. Er wird alles Notwendige für seine Frau in die Wege leiten. Wie Sie sicher verstehen, habe ich im Augenblick noch keine Beweise. Ich habe ihn ja nicht einmal vernehmen können, aber ich bin mir ganz sicher, daß Sie in Gefahr sind.«
Er erhebt sich. Zu meinem Onkel? Warum eigentlich nicht? Dort bin ich weit weg von all diesen Geschichten. Ich muß nicht die Verhaftung des unglückseligen Tony miterleben, weder Virginies Weinen noch Hélènes wütende Schreie, und erspare mir alle bissigen Kommentare.
»Sind Sie einverstanden?«
Ich hebe die Hand.
»Gut, dann werde ich die Sache mit Madame Holzinski besprechen. Auf Wiedersehen.«
Er geht in die Küche und redet leise mit Yvette. Er hat sich noch immer nicht beruhigt. Die Sache mit dem falschen Kommissar hat ihn anscheinend zutiefst getroffen. Man muß allerdings zugeben, daß … Yvette schließt hinter ihm die Tür und schiebt den Riegel vor. Dann höre ich ihre Schritte hinter meinem Rücken. Ich bin sicher, sie sieht nach, ob das Badezimmerfenster auch richtig zu ist. Was macht sie jetzt? Ah, sie telefoniert. Ich wette zehn zu eins, sie ruft meinen Onkel an. Gewonnen. Blablabla, wir kommen morgen. Sie wählt noch einmal. Bestimmt die Nummer der Fanstens.
»Hallo, guten Abend, hier ist Yvette, entschuldigen Sie die Störung … Ja, gerade eben … Das ist entsetzlich, wer hätte das ahnen können …? Wie furchtbar für Sie, meine Ärmste! Und Virginie? Ich hoffe, sie weiß nichts … Ja, das ist besser … Zu ihrer Schwiegermutter …? Sie haben recht. Ich kann es nicht glauben … Nein, das wußte ich nicht … Ich verstehe, ja. Über solche Sachen spricht man nicht gern … Und Paul …? Ja, er ist ein zuverlässiger Mensch, Sie haben Glück … Ah ja, das ist gut … Wie bitte? Gut, ich rufe Sie morgen noch einmal an.«
Aufgelegt.
»Ich habe gerade mit Hélène gesprochen. Das ist ja eine furchtbare Sache … Virginies Vater, stellen Sie sich das nur vor! Ein Geisteskranker, der aus dem Irrenhaus ausgebrochen ist! Das ist nicht zu fassen! Man fragt sich doch wirklich, in was für
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