Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Auch wenn du mir das weismachen willst.«
»Ich habe keine Lust dazu.« Abwehrend spreize ich die Hände.
»Im Grunde geht’s doch immer wieder um das gleiche, Dave. Du kannst dich nicht mit Veränderungen abfinden. Deswegen treibt’s dich innerlich auch so um, deswegen hast du Patsy Dap so zugerichtet. Du mußt lockerer werden, mein Bester. Du hast keine Dienstmarke mehr. Wenn du den Falschen alle machst, bist du wegen Mordes dran. Laß dir das von jemandem gesagt sein, der es schon mal durchgemacht hat.«
»Ich glaube, ich geh jetzt lieber wieder in meinen Köderladen.«
»Ja, ist vermutlich besser.«
»Entschuldige bitte, daß ich mich so benehme. Du bist ein echter Freund und hast es gut gemeint mit dem gemeinsamen Büro.«
»Nix weiter dabei. Meine Geschäfte in New Orleans gehn eh den Bach runter.«
Draußen schüttet es immer noch aus heiterem Himmel. Ich drehe mich um und schaue durch das Bürofenster. Clete sitzt reglos neben dem praktisch unberührten weißen Telefon, trinkt seinen Kaffee und starrt stumm ins Leere.
Ich spüre, wie mir eng um die Brust wird, und kehre um. Gemeinsam gehen wir die Main Street hoch, zum Mittagessen bei Victor’s.
Johnny Carp hatte den Canossagang nach New Iberia angetreten und einen zweiten Vermittlungsversuch unternommen. Er war ein unberechenbarer Irrer, ein Alkoholiker, dessen Physiognomie jeder Beschreibung spottete, ein Hurenbock, über dessen sexuelle Vorlieben man lieber nicht nachdenken wollte. Vor allem aber wurde Johnny, wie alle Säufer, von einer ureigenen Angst umgetrieben, und deswegen sahen er und seinesgleichen Blut aus jedem Wasserhahn laufen und tote Männer dem Meer entsteigen.
Ich rief Helen Soileau in der Dienststelle an.
»Was war mit Patsy Dapolito los?« fragte ich.
»Er hatte sich in einer Bude neben einer Klempnerei an der Jeanerette Street eingemietet. Jemand hat genau durch sein Schlafzimmerfenster geschossen.«
»Aus einer Neun-Millimeter?«
»Oder einem 38er. Die Kugel war ziemlich zermatscht. Wieso?«
»Johnny Carp glaubt, daß Sonny den Schuß abgegeben hat.«
»Da hätte er sich aber ranhalten müssen von draußen aus dem Meer.« Sie stockte. »Tut mir leid«, sagte sie.
»Sonnys Neun-Millimeter ist doch noch in der Asservatenkammer, oder nicht?« sagte ich.
»Ich geb’s ungern zu, aber ich habe schon nachgefragt. Nein.«
»Was ist damit passiert?«
»Wir haben ihn nicht wegen Mitführens einer verdeckten Waffe belangt, weil wir ihn im Bezirk Orleans hopsgenommen haben. Und als er wegen der Mordsache freigelassen wurde, konnte er hingehn und sich seine Knarre wieder abholen. Eine Smith & Wesson, stimmt’s?«
»Wie steht’s mit Patsy Dapolito?«
»Wir haben seine Türdrücker mit Mottenpulver eingeschmiert, damit er nicht rauskann. Komm schon, Dave, wie soll’s mit dem stehn? Nicht mal die Jungs in New Orleans wissen, wie sie mit dem Typ umspringen sollen. Wir kriegen pro Tag drei bis vier Anrufe wegen ihm. Er hat im Mulate’s ins Waschbecken gepißt.«
»Danke für die Hilfe, Helen.«
»Was der Alte gemacht hat, war nicht richtig. Ich hab ihm ebenfalls meine Meinung gesagt.«
»Du solltest dich da nicht mit reinziehen lassen.«
Sie schwieg, so als denke sie über irgend etwas nach, stelle sich die Vertrauensfrage, und damit tat sich Helen immer ganz besonders schwer.
»Ich hab ein ganz furchtbares Gefühl dabei, Streak. Es ist, als ob jemand ’ne heiße Glut in meinem Bauch ausdrückt. Ich krieg’s, sobald ich morgens aufwache.«
»In welcher Hinsicht?«
»Die haben Della Landry mit bloßen Händen in Stücke zerlegt. Die haben Sonny am hellichten Tag aus dem Verkehr gezogen. Paß bloß auf dich auf, hast du verstanden?«
»Mach dir um mich keine Sorgen.«
Ich hörte, wie ihre Hand quietschend über den Hörer glitt, als sie fester zupackte.
»Ich kann mich nicht besonders gut ausdrücken«, sagte sie. »Als ich die beiden Kriminellen umgelegt hab, hab ich mein Gesicht in ihren Augen gesehen. Genau das gleiche Gefühl hab ich jetzt. Verstehst du, was ich meine?«
Ich sagte ihr, daß es reine Einbildung sei, daß sie nicht weiter darüber nachdenken dürfe. Ich erklärte ihr, daß Batist drunten am Bootsanleger auf mich wartete.
Es war keine ehrliche Antwort.
Später saß ich im Garten hinter dem Haus und versuchte mir einzureden, daß ich deswegen so unzugänglich gewesen war, weil ich eine gute Freundin nicht unnötig beunruhigen wollte. So wie ein Arzt, der mit starrem Blick dasitzt und sich nichts
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