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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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er nicht recht, welchen Gedanken er zuerst aussprechen sollte. »Die Sache mit den Miezen hat ihn getroffen. Er zahlt ihnen hundert Mäuse dafür, daß sie ihm einen blasen, bloß damit er sich kein Aids holt«, sagte er. Er lehnte sich in dem Drehsessel zurück und starrte die Wand an. »Ich kann’s nicht glauben: Der erste, der in unser Büro kommt, is’n geisteskranker Spaghetti.« Er drückte seine Zigarette aus und ging mit den beiden zusammengeknüllten Zwanzigern in der Hand hinaus.
    Er erwischte die Limousine, kurz bevor sie losfuhr, und klopfte mit seinem Ring an die tiefdunkel getönte Scheibe. Johnny Carp hockte vornübergebeugt in seinem Sitz, als er das Fenster herunterließ, und hatte einen Milchrand um den Mund.
    »Hey, John, gib das lieber deinen Bräuten für die Mundhygiene«, sagte Clete und schmiß Johnny Carp die Scheine ins Gesicht wie zwei benutzte grüne Kleenex.
    Ich stelle den Außenborder ab, lasse das Boot auf eine Sandbank treiben und gehe dann mit Alafair auf eine Reihe Weiden und Zypressen zu. Die Sonne steht weiß und senkrecht über uns am blauen, wolkenlosen Himmel. In einem Altwasserarm hinter dem sanft wogenden Blattgespinst zeichnen sich die rostroten Aufbauten eines ausrangierten Schleppkahns ab. Ich stelle am anderen Ende der Sandbank einen Pappkarton auf, gehe zurück zum Boot und öffne die Tragetasche mit der Neun-Millimeter-Beretta.
    Einmal mehr zeige ich ihr, wie die Sicherung funktioniert, wie man den Abzugsmechanismus blockiert, lasse sie den Schlitten zurückziehen. Dann nehme ich ihr die Waffe weg und schiebe ein leeres Magazin in den Griff.
    »Okay, wie lauten die Regeln, Alf?«
    »Geh nie davon aus, daß die Waffe ungeladen ist. Aber setz auch nie voraus, daß sie geladen ist.«
    »Genau. Weißt du noch, wie man sich davon überzeugt?«
    Sie drückt auf den Arretierknopf am Knauf, läßt das Magazin herausspringen, zieht zweimal den Schlitten durch und schaut dann in die leere Kammer.
    »Großartig«, sage ich.
    Diesmal gebe ich ihr ein volles Magazin. Ich stehe hinter ihr, als sie durchlädt und mit beiden Händen anlegt. Sie drückt einmal ab, und neben dem Pappkarton spritzt der Sand auf.
    »Ziel ein bißchen höher und etwas weiter nach rechts, Alf.«
    Sie schießt noch zweimal vorbei, und beide Male schlagen die Kugeln krachend in den Schleppkahn hinter den Bäumen. Aber der nächste Schuß hinterläßt ein bleistiftgroßes Loch in dem Karton. Sie will die Pistole senken.
    »Schieß, bis das Magazin leer ist, Alf.«
    Peng, peng, peng
– jeder einzelne Schuß hallt über dem Wasser wider, wahrend die Beretta die leeren Hülsen ausspeit. Dann klappt der Verschluß auf, und ein watteweißer Rauchfaden steigt aus der Kammer. Der Karton ist jetzt umgekippt und mit schwarzen Löchern übersät.
    Als Alafair mich anlächelt, frage ich mich, ob ich ihr hier nicht ein Wissen vermittelt habe, das man niemals an ein Kind weitergeben sollte.
    Sie möchte nachladen.
    Kurz vor dem Morgengrauen regnete es, und die Bäume draußen im Sumpf standen grau und zerrupft im Nebel. Dann stieg die Sonne aus dem Dunst auf und brach sich an der dichten Wolkendecke wie eine plattgedrückte Rose.
    Ich schaue im Büro vorbei, beiläufig wie ein Besucher, will mich noch immer nicht damit abfinden, daß ich kein Cop mehr bin. Draußen fällt Regen vom strahlenden Himmel, und die Tür steht auf, damit frische Luft hereinkommt.
    Clete sitzt an seinem Schreibtisch und zieht Zeitungsausschnitte an einer Kette auf. Ich kann den Blick spüren, den er mir zuwirft, während er sich weiter mit seiner Arbeit beschäftigt.
    »Wenn du Ausgebüxte jagst, hast du mehr Befugnisse als jeder Polizist«, sagt er. »Du darfst Staatsgrenzen überschreiten, ohne Hausdurchsuchungsbefehl Türen eintreten, einen Verdächtigen hopsnehmen und den andern damit unter Druck setzen. Irgendwann wird der Oberste Gerichtshof dem Einhalt gebieten, aber im Augenblick isses so ähnlich wie auf Vorposten in der Hauptkampflinie.«
    Er weiß, daß ich nicht zuhöre, aber er fährt trotzdem fort.
    »Ab morgen haben wir ’ne Sekretärin. Ich verlager einen Teil der Aufträge aus meinem Büro in New Orleans nach hierher. Dauert bloß ein Weile, bis alles zusammenläuft«, sagt er.
    Ich nicke geistesabwesend, bemühe mich, nicht auf die Uhr zu schauen.
    »Du machst mir Sorgen, Großer«, sagt er.
    »Fang nicht damit an, Clete.«
    »Es geht nicht um Sonnys Tod. Es geht auch nicht darum, daß sie dich aus dem Dienst gekegelt haben.

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