Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Jungen heraus.
Auf seiner Bluejeans war ein dunkler Fleck, wie ein umgekehrtes V, wo er eingenäßt hatte.
»Ich weiß nicht, was mit Ihnen los is, Robicheaux«, sagte Rufus. »Aber ich hab, ehrlich gesagt, große Lust, Sie windelweich zu prügeln.«
»Was haben Sie mit dem Jungen vor?« fragte ich.
»Seine Mutter is nicht heimgekommen. Ich bring ihn in den Hort. Und jetzt haut von hier ab.«
Ich ging in die Hocke und schaute dem Kleinen ins Gesicht. Seine Oberlippe war mit Schweißperlen übersät.
»Wo wohnst du denn, Partner?« fragte ich.
»In dem Wohnwagen da droben an der Straße.«
»Wie heißt deine Mama?«
»Gloria Dumaine. Da, wo sie arbeitet, wird sie ›Glo‹ genannt.«
»Arbeitet sie in dem Lokal?« fragte ich.
»Ja, Sir. Da is sie gestern abend hingegangen. Sie is noch nicht wieder da.«
Ich richtete mich auf, legte die Hand auf Rufus’ Arm und drehte ihn zu den Bäumen um. Ich sah, wie sich die Haut um seine Augenwinkel straffte.
»Kommen Sie mit mir da rüber«, sagte ich.
»Was ...«
»Ich kenne seine Mutter«, sagte ich. »Sie wußte irgend etwas über die verstümmelte Wasserleiche, die wir aus einem Sumpfloch im Bezirk Vermilion gezogen haben. Ich glaube, sie war mit Sweet Pea in dem Wagen.«
Er nahm seine Sonnenbrille ab, schaute zu dem ausgebrannten Caddy und dann zu dem kleinen Jungen. Sein Mund war ein schmaler Strich, an den Winkeln nach unten gezogen, seine Miene wachsam, so als wolle ihm jemand eine Falle stellen.
»Bringen Sie den Kleinen zum Hort. Ich ruf den Sheriff an und berichte ihm alles«, sagte ich.
»Ab jetzt übernehme ich«, sagte er.
Ich ging zu Cletes Kabrio und stieg ein.
»Packen wir’s«, sagte ich.
Als wir quer über das Feld auf den Kiesweg zufuhren, schaute ich zu dem Eichenwäldchen zurück. Rufus war in die Hocke gegangen, rauchte eine Zigarette und starrte auf das verkohlte Wrack zwischen den Bäumen, als könne er mit bloßem Scharfblick den gordischen Knoten lösen. Der kleine Junge stand unbeachtet und ohne daß sich jemand um ihn kümmerte in der prallen Sonne, wie ein Stück Holz, das jemand in den Boden geschlagen hatte, und versuchte mit einer Hand den nassen Fleck auf seiner Hose zu verdecken.
Sie hatten Sweet Pea und Gloria umgebracht. Wer war der nächste? Ich wollte gar nicht daran denken.
Ich fuhr mit Clete zu dem Büro an der Main Street und ging dann zu Fuß zu Moleen Bertrands Anwaltskanzlei, die gegenüber den Shadows lag. Seine Sekretärin teilte mir mit, daß er über Mittag nach Hause gegangen war. Ich fuhr über die Zugbrücke, vorbei an dem alten, aus grauen Steinen erbauten Kloster, das jetzt geschlossen und zum Abriß freigegeben war, und folgte der kurvigen Straße durch den City Park bis zu Moleens gepflegtem, im Schatten hoher Eichen liegendem Rasengrundstück und dem weitläufigen Haus am Bayou Teche.
Julia hatte einen hohen Strohhut auf und jätete im Rosenbeet neben der Auffahrt Unkraut. Sie blickte auf und lächelte mich an, als ich vorbeifuhr. Ihre Schultern waren braungebrannt und mit Sommersprossen übersät, und die Haut über dem Trägerhemd wirkte in der Sonne rauh und trocken. Auf dem Zierrasen hinter ihr stand ein hohes Cocktailglas, um das eine Serviette und ein Gummiring gewickelt waren.
Moleen saß auf der mit Plexiglas umgebenen Veranda hinter dem Haus und aß ein Thunfischsandwich. Er wirkte ausgeruht, erholt, sein Blick war klar, beinahe heiter. Blaue Hortensienblüten, so groß wie Honigmelonen, wucherten draußen an der Glaseinfassung.
»Tut mir leid, daß ich Sie zu Hause störe«, sagte ich.
»Sie stören nicht. Setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun? Möchten Sie etwas essen?«
»Gut sehen Sie aus.«
»Freut mich, daß Sie mal ein gutes Wort übrig haben.«
»Ich möchte Ihnen nicht den Tag verderben, Moleen.«
»Danke sehr.«
»Haben Sie schon gehört, daß ein gewisser Sweet Pea Chaisson draußen in der Nähe von Cade umgebracht worden ist?«
»Ich fürchte, nein.«
»Eine schwarze Frau ist mit ihm gestorben.«
Er nickte mit vollem Mund. Seine Augen waren ausdruckslos. An der entgegengesetzten Wand stand eine verglaste Mahagonivitrine voller Schrotflinten und Repetiergewehre.
»Blasen Sie es ab«, sagte ich.
»Was?«
»Ich glaube, Sie können auf bestimmte Leute einwirken.«
»Ich kann auf niemanden einwirken, mein Freund.«
»Wo ist Ruthie Jean?«
»Sie mißbrauchen meine Gastfreundschaft, Sir.«
»Lassen Sie es sein, Moleen. Ändern Sie Ihren Lebenswandel. Sehen Sie
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