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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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schlug seinen Kopf an die Bar.
    Ich wartete darauf, daß seine Männer unter ihre Jacken griffen, mir die Arme verdrehten, aber sie rührten sich nicht. Schwer atmend stand ich da, klammerte mich mit beiden Händen an der Bar fest, wie jemand, der mitten im Sturm auf einem Schiff steht, und dann tat ich etwas, das ich mir nie zugetraut hätte, das mir vorkam, als hätte ich nichts damit zu tun. Er wollte sich wieder aufrappeln, und ich sah, wie ihn mein Schuh am Kinn erwischte, am Ohr, an den hochgerissenen Unterarmen, am Brustkorb, spürte, wie Johnny Carp unter meinen Tritten zerbrach wie ein rohes Ei.
    »Heilige Mutter Gottes, jetzt reicht’s, Dave«, hörte ich Clete hinter mir schreien. Dann riß er mich mit aller Kraft zurück, weg von Johnny, der eingerollt wie ein Embryo neben der Bar lag, die Hände um den Kopf geschlungen, das gelbe Hemd mit Blut und Speichel verschmiert.
    Eine Papiertüte knisterte in seinem Handteller, als Clete mich unter dem Arm packte und sich mit mir zur Tür zurückzog, die abgesägte doppelläufige Schrotflinte mit dem Pistolengriff unverwandt auf Johnnys Männer gerichtet. Rundum war es totenstill, nur die Pendeltüren zur Küche schwangen hin und her. Die Gesichter der Gäste waren ausdruckslos, wie Kerzenwachs, so als ob sie bei jeder Bewegung in lodernde Flammen aufgehen könnten. Ich spürte, wie Clete mich in die Dunkelheit hinauszog, an die Luft, die sich dick und kalt wie Nebel zwischen den Bäumen festgesetzt hatte und nach Gewitter roch. Er steckte die abgesägte Schrotflinte wieder in die Papiertüte und warf sie auf den Rücksitz seines Kabrios.
    »Oh, Dave«, sagte er. »Mein Bester ...« Er schüttelte den Kopf und ließ den Wagen an, ohne den Satz zu Ende zu bringen, starrte nur teilnahmslos und mit glänzenden Augen düster vor sich hin, so als habe er gerade in die Zukunft gesehen.

25
    Am Montag morgen war immer noch nichts passiert. Kein Kripomann aus New Orleans hatte an der Tür geklopft, kein Haftbefehl war erlassen worden. Meines Wissens hatte man nicht einmal Ermittlungen aufgenommen.
    Es war ein warmer Tag, völlig windstill, der Himmel blau und klar, und die Sonne fiel grell und gleißend auf den Bayou. Nachdem die ersten Angler wieder aufgebrochen waren, schürte ich das Feuer im Grill an, auf dem Batist und ich später das Mittagessen für unsere Gäste zubereiten wollten. Dann rief ich Clete in dem Büro an der Main Street an.
    »Brauchst du mich für irgendwas?« fragte ich.
    »Eigentlich nicht. Es ist ziemlich ruhig.«
    »Ich glaube, dann arbeite ich heut im Bootsverleih.«
    »Er wird kommen, Dave.«
    »Ich weiß.«
    Der Priester sitzt neben mir auf der verwitterten Tribünenbank am Baseballplatz der New-Iberia-High-School. Das Schulgebäude steht leer, die Fenster sind mit Steinen eingeschmissen, von Luftgewehrkugeln durchlöchert. Der Priester, ein hochaufgeschossener Mann mit kurzen grauen Haaren, war einstmals, zu Zeiten der Evangeline League, als Pitcher bei den Pelicans wegen seiner unterschnittenen Bälle berüchtigt und wurde später eines der ersten Mitglieder der Martin Luther King’s Southern Christian Conference. Heute gehört er der gleichen AA-Gruppe an wie ich.
    »Hast du das beabsichtigt, als du in das Restaurant gegangen bist?« fragt er.
    »Nein.«
    »Dann ist es also ohne Vorsatz geschehen. Aus Ungestüm. So etwas kann im Zorn vorkommen.«
    Die Dämmerung ist angebrochen, und der Besitzer des Ladens an der Ecke – Pfandleihhaus und Waffengeschäft in einem – schlägt scheppernd die Glastür zu und sperrt ab. Zwei schwarze Kids mit Baseballkappen betrachten die Pistolen in dem vergitterten Schaufenster.
    »Dave?«
    »Ich wollte ihn umbringen.«
    »Das wiegt schon ein bißchen schwerer«, sagt er.
    Die schwarzen Kids überqueren bei Rot die Straße und laufen an der Tribüne vorbei, halten sich im Schatten, nehmen uns überhaupt nicht wahr. Einer hebt einen Stein auf und wirft ihn durch einen Baum neben dem Schulgebäude. Ich höre, wie drinnen leise Glas klirrt.
    »Wegen deinem Freund – wie hieß er doch gleich, diesem Sonny Boy?« sagt der Priester.
    »Ich glaube, er hat Sonny Boy zum Abschuß freigegeben. Ich kann’s aber nicht beweisen.«
    Er hat lange schlanke Hände mit Leberflecken auf dem Rücken. Seine Haut klingt trocken, wenn er die Hände aneinander reibt.
    »Was macht dir auf dieser Welt am meisten zu schaffen, Dave?«
    »Wie bitte?«
    »Vietnam? Der Tod von Annie, deiner Frau? Die Alkoholphantasien, wenn du

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