Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Segeltuchplane runtergezogen«, sagte sie.
Die Vögel, die leblos am Boden der Käfige lagen und deren Gefieder sich im Wind plusterte, sahen aus wie im Flug abgeschossen. Doch ein Blick auf die steifen Kadaver der Opossums und Waschbären verriet, wie sämtliche Tiere zu Tode gekommen waren. Ihre Mäuler waren weit aufgerissen, die Hälse und Leiber verkrümmt, die Klauen ausgestreckt, als ob sie sich gegen unsichtbare Feinde wehren wollten.
»Das tut mir leid, Helen. So was bringt nur ein richtiger Mistkerl fertig.«
»Zwei waren’s. Schau dir die Fußspuren an. Einer von denen muß Bleischuhe tragen.«
»Warum hast du das nicht gemeldet?«
Dann sah ich ihre Miene, in der sich wieder die Feindseligkeit und das Mißtrauen widerspiegelten, die so bezeichnend waren für ihren Umgang mit anderen Menschen.
»Ich brauch einen guten Rat«, sagte sie. Ich konnte ihre Atemzüge hören. Ihre rechte Hand öffnete und schloß sich krampfhaft. Schweißtropfen standen auf ihrer Oberlippe.
»Schieß los, Helen.«
»Ich zeig dir was, das heut morgen unter meiner Tür gelegen hat«, sagte sie und ging vor mir her ins Wohnzimmer zurück. Sie setzte sich auf die Rattancouch und nahm den braunen Briefumschlag zur Hand. Das durch die Jalousien dringende Sonnenlicht zeichnete hellgelbe Streifen auf ihr Gesicht. »Würdest du mit einem Homo arbeiten?« sagte sie.
»Was soll denn diese Frage?«
»Antworte mir.«
»Was andere Menschen in ihrem Privatleben machen, geht mich nichts an.«
»Wie wär s mit ’ner Lesbe oder einer Doppeltgestrickten?«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, aber notwendig ist das nicht.«
Sie hatte die Hand in den Umschlag gesteckt und biß sich mit den Zähnen auf die Lippe. Sie zog ein großes glänzendes Schwarzweißfoto heraus und reichte es mir.
»Das wurde vorgestern nacht aufgenommen. Er hat kein Blitzlicht benutzt, daher die starke Körnung. Anhand der Einstellung würde ich sagen, es wurde durch das Fenster an der Seitenwand aufgenommen.«
Ich schaute mir das Bild an und spürte, wie mein Hals rot anlief. Sie hatte die Augen auf die hintere Wand gerichtet.
»Meiner Meinung nach ist das nichts Weltbewegendes«, sagte ich. »Frauen küssen sich hin und wieder. So zeigt man anderen, daß man sie mag.«
»Willst du die andern sehn?«
»Tu dir das nicht an.«
»Jemand hat’s schon getan.«
»Ich habe nicht vor, mich in irgendeiner Weise in dein Privatleben einzumischen, Helen. Ich respektiere dich. Diese Fotos ändern daran gar nichts.«
»Erkennst du die andere Frau?«
»Nein.«
»Sie war mal eine von Sweet Pea Chaissons Miezen. Ich wollte ihr helfen, damit sie da rauskommt. Bloß daß wir ein bißchen weiter gegangen sind.«
»Wen schert’s?«
»Ich muß das Zeug abliefern, Dave.«
»Den Teufel mußt du.«
Sie schwieg, wartete.
»Mußt du beweisen, daß du ein ehrlicher Mensch bist?« fragte ich. »Dadurch kommst du den miesen Kreaturen, die dich verletzen wollen, doch nur entgegen. Das hat nichts mit Integrität zu tun, Helen, das ist Hochmut.«
Sie steckte das Foto in den Umschlag zurück, musterte dann ihre Handrücken. Keinerlei Ring zierte ihre dicken, stumpf zulaufenden Finger.
»Der einzige Typ, der mir in den Sinn kommt, ist dieser paramilitärische Sack – wie heißt er doch? –, dieser Tommy Carrol«, sagte sie.
»Kann sein«, sagte ich. Aber ich mußte an Sonny Boys Warnung denken.
»Aber warum sollte der diese Nachricht auf dem Umschlag hinterlassen?« Sie drehte ihn um, so daß ich den Satz lesen konnte, den jemand mit Filzstift geschrieben hatte –
Bleib lieber bei deinen Strafzetteln, Muffie
. »Was guckst du so?«
»Sonny Marsallus. Er hat gesagt, ich soll in Zusammenhang mit diesem Emile Pogue nichts über Bundescomputer laufen lassen. Auf all diesen Bitten um Auskunft stand dein Name, Helen.«
Sie nickte, und dann nahm ihr Gesicht einen Ausdruck an, den ich im Lauf der Jahre nur allzuoft, bei zu vielen Menschen gesehen hatte. Mit einemmal wird ihnen klar, daß sie, sei es von Einzelpersonen oder Gruppierungen, von denen sie nichts wissen und denen sie persönlich nie etwas zuleide getan haben, willkürlich als Opfer auserwählt worden sind. In diesem Moment fühlt man sich sehr einsam, und es geht einem überhaupt nicht gut.
Ich zog den Umschlag unter ihren Händen hervor.
»Wir könnten mit den Fotos allerlei Trara anstellen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach würde uns das kein Stück weiterhelfen«, sagte ich. Ich zog die Fotos mit der
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