Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
herabstoßen, die von Planierraupen systematisch verteilt, untergegraben und mit Erde abgedeckt wurden.
»Seit wann stecken Sie denn im Müllgeschäft, Johnny?«
»Ach, ich bin bloß zwei Tage die Woche hier und sorg dafür, daß der Laden läuft«, sagte er. Er trug einen beigen Anzug mit schmalen braunen Streifen, dazu ein lila Hemd mit einem braunen Strickbinder und hatte eine kleine Rose am Revers stecken. Er zwinkerte mir zu. »He, ich weiß, daß Sie nichts mehr trinken. Ich auch nicht. Ich hab was gefunden, das mir drüber weghilft. Ich mach Ihnen nichts vor. Aufgepaßt.«
Er öffnete einen kleinen Kühlschrank an der Wand und holte eine ungeöffnete Literflasche Milch heraus. Der Rahm stand gut fünf Zentimeter dick im Hals. Dann holte er eine schwere schwarze Flasche Scotch mit einem roten Wachssiegel aus der unteren Schublade seines Schreibtisches. Er goß vier Fingerbreit davon in ein dickes Wasserglas, füllte es mit Milch auf und lächelte die ganze Zeit. Der Scotch wallte auf, vermischte sich mit der Milch und der Sahne und färbte sie in einem weichen Karamelton.
»Ich werd nicht besoffen, ich krieg keine Magengeschwüre, ich krieg keinen Kater. Es is einfach klasse, Dave. Wollen Sie ’n Schuß?«
»Nein, danke. Wissen Sie, warum jemand möchte, daß Sonny Boy Marsallus erledigt wird?«
»Vielleicht haben wir die Woche der geistigen Genesung. Sie wissen schon – steh deinen Nachbarn bei, bring den größten Spinner im Viertel um. Der Typ hat so einen Knall in der Birne, daß sein Kopf im Dunkeln leuchtet.«
»Wie steht’s mit Sweet Pea Chaisson?«
»Der und Sonny – ausknipsen? Sweet Pea ist ein Würstchen. Wieso fragen Sie mich überhaupt so ein Zeug?«
»Sie sind der Mann, der das Sagen hat, Johnny.«
»Onkel Didi war der Mann. Wir reden hier von den alten Zeiten.«
»Eine Menge Leute respektieren Sie, Johnny.«
»Ja? An dem Tag, wo ich pleite geh, bin ich wieder der letzte Dreck. Wollen Sie was über Marsallus wissen? Der is mit ’nem Ständer aus dem Mutterleib geschlüpft.«
»Was soll das heißen?«
»Der hat so viel Bücher gelesen, dasser wie jemand klingt, der er nicht is, aber er hat den Kopf voller Sperma. Der benutzt die Bräute wie andere Leute ihre Taschentücher. Lassen Sie sich von dem Sack nicht in die Irre führen. Der stellt sich notfalls bei seiner eigenen Mutter an ... hab ich was Falsches gesagt?«
»Nein«, sagte ich mit ausdrucksloser Miene.
Er faltete die Hände, spreizte die Ellbogen ab und beugte sich vor. »Mal ernsthaft«, sagte er. »Will jemand Sonny alle machen?«
»Kann sein.«
Nachdenklich drehte er den Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster. Seine Jacke bauschte sich am Hals auf. »Jemand aus der Stadt isses nicht. Sonny hat niemals die Geschäfte von irgendwem gefährdet, falls Ihnen klar is, was ich damit sagen will. Das Dumme mit ihm is bloß, dasser meint, sein Scheiß stinkt nicht. Der glaubt, er schwebt über dem Boden, steht über uns allen.«
»Tja, war schön, Sie zu sehen, Johnny.«
»Jawoll, wie immer ein Vergnügen.«
Ich stand auf, zupfte an meinem Ohrläppchen.
»Schon komisch, was Sie mir da über Sonnys Umgang mit Frauen erzählt haben. War mir bislang unbekannt«, sagte ich.
»Die Leute, die in den Sozialsiedlungen leben, arbeiten nicht. Was glauben Sie, was die den ganzen Tag treiben, warum, meinen Sie denn, haben die so viele Kinder? Er is ein mickriger Straßenstrolch. Der denkt nicht oberhalb der Gürtellinie. Hab ich mich halbwegs klar ausgedrückt?«
»Bis zum nächsten Mal, Johnny.«
Er schnippte mir mit dem Finger zu und trank einen Schluck Scotch mit Milch. Sein Gesicht verschwand fast hinter der Hand mit dem Glas.
Ich weiß nicht mehr, wie der psychologische Fachausdruck dafür lautet, aber jeder Polizist und Staatsanwalt kennt den Vorgang nur zu gut. Es geht um das Eingeständnis einer Schuld durch nachdrückliches Leugnen. Als Lee Harvey Oswald nach dem Mord an Präsident Kennedy in Haft saß, schien er viele der Fragen, die ihm die Polizei und die Presse stellten, wahrheitsgemäß zu beantworten. Aber er leugnete beharrlich, daß er der Besitzer des 6,5-Millimeter-Gewehres sei, das man im fünften Stock des Texas Book Depository gefunden hatte, jenes Beweisstücks also, mit dem man ihn eindeutig überführen konnte.
Della Landry war aller Wahrscheinlichkeit nach wegen ihrer Beziehung zu Sonny ermordet worden. Und Johnny hatte in seiner ersten Stellungnahme darüber gelästert, daß Sonny Frauen schlecht
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