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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Rückseite nach oben aus dem Umschlag und ging damit in die Küche. »Und jetzt verfahre ich nach einem alten Rezept von Clete Purcel, das da lautet: Wenn die Regeln, an die du dich hältst, dem Abschaum zugute kommen, mußt du dir ein paar neue zulegen.«
    Ich nahm ein Streichholz aus der Schachtel, die auf dem Fenstersims über der Spüle lag, riß es an und hielt die Flamme an die untere Ecke der Fotos. Ringelnd und leckend breitete sich das Feuer über das Papier aus. Ich zog die einzelnen Bogen auseinander, damit die Hitze auf die Unterseite übergreifen konnte, bis die Bilder und alles, was darauf zu sehen gewesen sein mochte, zusammengeschrumpelt und zu schwarzen Aschehäufchen verkohlt waren, aus denen schmutzig braune Rauchfäden aufstiegen und durch das Fliegengitter abzogen. Dann drehte ich den Wasserhahn auf und spülte die Asche in den Abfluß, wischte das Becken mit einem Papiertuch sauber und warf es in den Mülleimer.
    »Hast du Lust, zeitig zu Mittag zu essen und anschließend ins Büro zu gehen?«
    »Moment, ich muß mich nur rasch umziehen.« Dann sagte sie: »Vielen Dank für alles, was du getan hast.«
    »Geschenkt.«
    »Ich sag das nur einmal«, sagte sie. »Männer sind nur aus zweierlei Gründen nett zu Frauen. Entweder wollen sie ihn einem reinschieben, oder sie haben echten Mumm und brauchen einem nichts beweisen. Ich hab’s ehrlich gemeint, als ich mich bedankt habe.«
    Es gibt Komplimente, die man nicht mehr vergißt.
    Bevor ich wegfuhr, steckte ich den Kadaver eines toten Waschbären in einen Plastikmüllsack und legte ihn auf die Ladefläche meines Pickup.
    Seit der Nacht, in der Della Landry ermordet worden war, waren wir mit unseren Ermittlungen noch keinen Schritt weitergekommen. Ich hatte den Fehler gemacht und auf Sonny Boy gehört, als er sich geringschätzig über den Mob geäußert und seine Beziehung dazu heruntergespielt hatte. Wieder war Sweet Pea Chaissons Name gefallen, und Sweet Pea tauschte nicht mal die Klopapierrollen aus, ohne vorher die Erlaubnis der Familie Giacano einzuholen. Wenn die Spaghettis in den siebziger Jahren drauf und dran gewesen waren, den Bach runterzugehen, dann hatte außer Sonny keiner was davon gemerkt.
    Der Erbe des fetten alten Didoni Giacano, auch bekannt als Didi Gee, dessen Erkennungszeichen ein blutiger Baseballschläger gewesen war, der stets auf dem Rücksitz seines Cadillac-Kabrios lag, und der gelegentlich die Hand eines Widersachers in ein Aquarium voller Piranhas gehalten hatte, war sein Neffe, ein Geschäftsmann in erster Linie und erst in zweiter ein Gangster, der aber über die befremdliche Fähigkeit verfügte, je nach Lust und Laune in psychotische Zustände zu verfallen – John Polycarp Giacano, auch bekannt als Johnny Carp oder Polly Gee.
    Am Freitag morgen traf ich ihn in seinem Büro bei einer Müllkippe im Bezirk Jefferson an. Seine Augen, die Nase und der spitze Mund lagen unnatürlich eng in der Mitte des Gesichts, alles auf eine Fläche zusammengedrückt, die nicht größer war als ein Handteller. Seine Stirn war zerfurcht und faltig, obwohl er sie nicht runzelte. Die lackschwarzen Haare waren oben und an der Seite gewellt und sahen aus wie Plastik, das geschmolzen, ausgegossen und abgekühlt war.
    Ich kannte ihn aus meiner Zeit im First District, als er noch ein kleines Licht in der Organisation gewesen war, Boxkämpfe verschoben und Geld an die Jockeys draußen auf den Jefferson Downs und den Fairgrounds verliehen hatte. In jungen Jahren hatte er angeblich für hundert Dollar als Fahrer bei zwei Auftragsmorden der Calucci-Brüder mitgewirkt. Doch trotz seiner langen kriminellen Vergangenheit war er erst einmal eingefahren – eine einjährige Haftstrafe wegen Besitzes von gestohlenen Essensmarken, die er Ende der Sechziger in einer laxen Bundeshaftanstalt verbüßte, wo er Golf und Tennis spielen konnte und am Wochenende Ausgang hatte.
    Johnny Carp war schlau. Er hielt sich an die Gepflogenheiten und gab jedem das Seine, haderte nicht mit der Welt und ihrem Lauf. Prominente ließen sich mit ihm fotografieren. Er verlieh zinslos Geld an Polizisten und war niemals unangenehm aufgefallen. Diejenigen, die ihn von einer anderen Seite kennenlernten, so behaupteten seine Fürsprecher, hätten gegen die Regeln verstoßen und ihr Schicksal verdient.
    »Sie sehn klasse aus«, sagte er und kippte sich auf seinem Drehstuhl zurück. Durch das Fenster hinter ihm sah ich die Möwen durch die Luft kurven und auf die Müllberge

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