Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
behandle, so als wolle er sagen, daß Sonny und niemand anders für das Schicksal derer verantwortlich sei, die sich mit ihm einließen.
Aber vielleicht war das nur eine weitere Sackgasse, und ich deutete nur etwas hinein, das gar nicht vorhanden war.
Als ich in meinen Pickup stieg, standen drei von Johnnys Gorillas am Heck seines Lincoln. Sie trugen Hosen mit messerscharfen Bügelfalten, Slipper, kurzärmlige Tropenhemden, hatten Goldkettchen um den Hals und leicht geölte Brikettfrisuren. Aber Steroide waren auch beim Mob in Mode gekommen, und ihre Oberkörper und Arme waren so mit Muskeln bepackt, daß es aussah, als platze jeden Moment die Haut.
Sie schossen abwechselnd mit ihren 22er Revolvern auf Blechbüchsen und die Vögel, die sich an dem zwischen Müllhalden hindurchführenden Fahrweg zum Fressen eingefunden hatten. Sie schauten kurz zu mir her, dann schössen sie weiter.
»Ich würde ganz gern wegfahren, ohne beschossen zu werden«, sagte ich.
Niemand antwortete. Einer der Männer klappte seinen Revolver auf, schüttelte die Hülsen heraus und lud nach. Er warf mir einen vielsagenden Blick zu.
»Besten Dank«, sagte ich.
Kuhreiher flogen zu beiden Seiten auf, als ich hupend die Straße entlangfuhr. Im Rückspiegel sah ich, daß Johnny Carp aus dem Büro kam und sich zu seinen Männern gesellte, worauf sie mir alle ruhig, gelassen und, dessen war ich mir sicher, lauernd hinterherschauten – Wesen, deren Gedanken man wahrlich nicht wissen wollte.
Am Freitag abend ging ich in die Bezirksbibliothek und las alles, was über Jean Lafitte vorlag. Die meisten Texte käuten auf die eine oder andere Weise die altbekannten Geschichten über den Piraten wieder, der sich mit Andrew Jackson verbündet und dazu beigetragen hatte, daß die Briten in der Schlacht von New Orleans mit vereinten Kräften geschlagen wurden, berichteten von den Schiffen, die er auf hoher See gekapert, den Horden von Halsabschneidern, unter denen er in Barataria und Galveston gelebt hatte, und von seinem Tod irgendwo auf Yucatán.
In der sogenannten guten Gesellschaft von New Orleans galt er als eine romantische und faszinierende Gestalt, vermutlich, weil ihm dort niemand zum Opfer gefallen war. Doch in der Bibliothek lag auch ein Artikel vor, den ein Historiker um die Jahrhundertwende verfaßt hatte und in dem Lafitte nicht so gut wegkam. Seine Verbrechen beschränkten sich keineswegs auf Piraterie und Mord. Er war auch ein Menschenhändler gewesen, der noch nach dem Einfuhrverbot von 1809 afrikanische Sklaven in die Vereinigten Staaten geschafft hatte. Die Beute aus seinen Raubzügen wie auch die menschliche Fracht hatte er an den Ufern des Bayou Teche verkauft.
Sowohl Milton als auch Shakespeare haben geschrieben, daß in der Welt der Träume Klarheit und Kraft liegen. Für mich hat das stets bedeutet, daß einem unterbewußt und im Schlaf manches deutlich wird, das sich bei Tageslicht und im Wachzustand dem Verständnis entzieht. In dieser Nacht, als der nach Salz, nassem Sand und Humus riechende Wind über den Sumpf wehte, träumte ich davon, wie es am Bayou Teche gewesen sein mußte, als das Land noch jung war, als die wichtigsten Waffen und Werkzeuge aus Stein gefertigt waren, als der Waldboden mit Zwergpalmen überwuchert war und die moosbehangenen Bäume so dick und hoch aufragten, daß die Stämme im einfallenden Sonnenlicht wie die grauen Säulen einer gotischen Kathedrale wirkten.
Die Luft war stickig wie heißer Dampf unter einer Glasglocke, ein gelber, von einem schwarzen Wolkenstreifen durchschnittener Herbstmond stand am Himmel, und dann sah ich ein langes Holzschiff mit eingerollten Segeln, das von Negern, die sich torkelnd durch das Schilfrohr und den Schlamm am Ufer schleppten und deren schweißnasse Leiber im Feuerschein glitzerten, an Tauen den Bayou hinaufgezogen wurde. An Deck des Schiffes befanden sich ihre Frauen und Kinder, die Kleiderbündel um sich gelagert hatten und nach vorn starrten, in die Finsternis über dem Wasser, so als lasse sich dort eine Erklärung für ihre Angst und ihr Elend finden.
Der Auktion fand zu Füßen der Eichen unterhalb des alten Voorhies-Anwesens statt. Da die Neger weder Englisch noch Französisch oder Spanisch sprachen, erfand man kurzerhand Geschichten über ihre Herkunft und Abstammung. Bei den anderen Gütern konnte man sich diese Mühe sparen. Das Gold-und Silbergeschirr, die Kisten voller Kleidung nach der neuesten europäischen Mode, die juwelenbesetzten Halsbänder,
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