Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
paar Scheißkerlen erpreßt werden sollte.«
Er wischte sich mit der Fingerspitze den Augenwinkel aus.
»Irgendwie hab ich das Gefühl, daß man sie nicht mit einem Mannsbild in der Kiste erwischt hat«, sagte er.
»Das Thema ist für mich erledigt, Sheriff.«
»Erledigt? Interessant. Nein, erstaunlich.« Er drehte seinen Stuhl zur Seite, kippte ihn zurück und klopfte sich mit ausgestreckten Fingern auf den Bauch. »Vielleicht sollten Sie ein bißchen mehr Vertrauen zu den Leuten haben, für die Sie arbeiten.«
»Sie hat ein paar Anfragen über Bundescomputer laufen lassen. Jemand möchte nicht, daß sie der Sache weiter nachgeht«, sagte ich.
Er hatte die Augen auf die Teekanne gerichtet, mit der er seine Pflanzen goß, dann blickte er auf, so als sei ihm noch etwas eingefallen. »Das FBI wollte mich über Sonny Marsallus aushorchen. Warum interessieren die sich für einen Dummschwätzer von der Canal Street?«
»Ich weiß es nicht.«
»Die wissen allerhand über ihn, und ich glaub nicht, daß es aus einer Strafakte stammt. Vielleicht ist er aus einem Zeugenschutzprogramm abgesprungen.«
»Sonny ist kein Spitzel«, sagte ich.
»Ein großartiges Leumundszeugnis, Dave. Ich wette, er ist auch mit seiner Großmutter zur Messe gegangen.«
Ich stand auf. »Haben Sie vor, Helen von unserem Gespräch zu unterrichten?«
»Ich weiß es nicht. Vermutlich nicht. Aber versuchen Sie nicht noch mal, mich hinters Licht zu führen. Hatten Sie jemals irgendwas mit dem militärischen Geheimdienst zu tun?«
»Nein, warum?«
»Diese ganze Sache stinkt nach Bundesregierung. Können Sie mir erzählen, warum die ihren Scheiß bis in eine Stadt verfolgen, die so klein ist, daß es hier bis vor ein paar Jahren grade mal zwei Friseursalons gegeben hat?«
Ich setzte mich wieder hin. »Ich möchte einen Durchsuchungsbefehl für Sweet Pea Chaissons Wagen.«
»Weshalb?«
»Im Fond ist getrocknetes Blut am Boden.«
»Woher wissen Sie das?«
»Clete und ich haben reingeschaut ... Clete hat den Wagen präpariert, aber die Cops in Lafayette wußten nicht, worauf sie achten sollten.«
»Ich glaube, ich höre nicht recht.«
»Sie haben gesagt, daß Sie Klartext hören wollen.«
»Das ist das letzte Mal, daß wir so ein Gespräch führen, Sir.«
Ich holte meine Post ab und ging in mein Büro. Fünf Minuten später öffnete der Sheriff die Tür einen Spaltbreit, so daß er gerade den Kopf hereinstecken konnte.
»Sie sind doch nicht heil davongekommen«, sagte er. »Sweet Peas Anwalt, dieser Schleimer aus Lafayette – wie heißt er doch gleich? –, dieser Jason Darbonne, hat gerade Anzeige gegen Sie und unsere Dienststelle erstattet. Und noch was anderes, Dave, nur damit hier Klarheit herrscht. Ich möchte, daß dieser Scheiß bereinigt wird, und zwar schleunigst.«
Ich konnte ihm seinen Unmut nicht verübeln. Unsere Schränke waren voller Akten, die von so viel menschlichem Leid, roher Gewalt, Perversion und dem Versagen öffentlicher Einrichtungen kündeten, daß wir durchaus mit einem Land der Dritten Welt konkurrieren konnten. Mit den polizeilichen Unterlagen verhielt es sich genauso wie mit den Akten der Sozialämter – wenn man sie einmal aufschlug, wurden sie nie mehr geschlossen. Sie wuchsen sich vielmehr von einer Generation zur nächsten aus; immer wieder tauchten dieselben Familiennamen auf, dazu die Anschuldigungen und Ermittlungsergebnisse, in denen sich der Werdegang eines jeden einzelnen von seiner Geburt über die Pubertät bis zu seinem Tod niederschlug – Tatortfotos, erkennungsdienstliche Aufnahmen, ein vergilbtes Blatt ums andere, so als würden irgendwelche Abwässer aus einem Rohr geleitet und lagerten sich Schicht um Schicht ab.
Kinder, die mit Drahtkleiderbügeln abgetrieben werden, cracksüchtig zur Welt kommen, unter heißen Wasserhähnen verbrüht werden. Halbwüchsige Mütter mit spindeldürren Beinen, die ihr Leben zwischen Entzug, Sozialamt und dem Anschaffen auf der Straße fristen. Oberschüler, die beim Tanzabend eine 44er Magnum aus nächster Nähe auf ihre Klassenkameraden abdrücken und allen Ernstes behaupten dürfen, sie hätten aus Notwehr gehandelt, weil draußen auf dem Parkplatz Knallfrösche losgegangen seien. Bewaffnete Räuber, die sich dadurch auszeichnen, daß sie ihren Opfern mit Kugelschreibern die Trommelfelle durchstechen, bevor sie sie hinter einem Schnellimbiß exekutieren. Und dazu das Alleraberwitzigste – die unverbesserlichen Pädophilen, die immer wieder auf
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