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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Schweizer Offiziersmesser auf, schabte einige verkrustete Flocken ab und streifte sie in eine verschließbare Plastiktüte. Dann sperrte ich den Wohnwagen ab und wollte wieder in meinen Pickup steigen, überlegte es mir aber anders und ging zurück zur Bar. Die Frau war auf der Damentoilette und wischte den Boden, daß ihr Bauch unter dem Pulli wabbelte.
    »Es war ein großer Weißer mit lauter Runzeln im Gesicht«, sagte ich. »Vermutlich mag er Schwarze nicht besonders, aber er hatte mindestens eine Neunmillimeterkugel im Leib, so daß ihm nicht nach Streiten zumute war, als Sweet Pea ihn hier rausgefahren hat. Wie mach ich mich bislang?«
    »Ich hab damit nix zu schaffen, Schätzchen.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Glo. Wenn man gut zu mir ist, fang ich nämlich an zu strahlen. Ich bring auch Sie zum Strahlen.«
    »Ich glaube nicht, daß Sie jemandem etwas zuleide tun können, Glo. Aber dieser Mann, der mit den Runzeln im Gesicht, so daß es aussieht wie eine rissige alte Tapete, der ist eine Sorte für sich. Er denkt sich Sachen aus, die er den Leuten antun kann – jedem, Ihnen, mir, möglicherweise sogar katholischen Nonnen. Ich habe gehört, daß er zwei davon aus einem Hubschrauber geworfen hat. War der Mann in dem Wohnwagen ein Typ, dem man so etwas zutrauen könnte?«
    Sie stellte den Schrubber in einen Eimer mit schmutzigem Wasser und fummelte ihre Lucky Strikes aus den Shorts. Ihr rechtes Auge wirkte aufgequollen und wäßrig, als sie die Zippo-Flamme an die Zigarette hielt. Sie atmete aus, drückte den Handrücken an die Augenhöhle, räusperte sich und spie irgendwas Braunes in den Abfallkorb.
    Sie reckte mir das Kinn entgegen, und plötzlich wirkte ihr Gesicht zum erstenmal offen und aufrichtig. »Is das wahr, was Sie über den Kerl sagen?«
    »Soweit ich weiß, ja.«
    »Ich schließ jetzt ab, Süßer. Muß heut mit meinem Kleinen zum Doktor. Zur Zeit geht mal wieder die Grippe um.«
    »Hier ist meine Visitenkarte, Glo.«
    Aber sie ging von mir weg, die Arme steif an den Oberkörper gepreßt, die Hände rechtwinklig ausgestreckt, so als schwebten sie auf warmen Luftströmungen, den Mund zu einem tonlosen O gespitzt, wie eine lila Rose.
    Ich passierte den Viehzaun, fuhr unter dem mit Wisterien überwucherten eisernen Torbogen am Eingang zur Bertrandschen Plantage hindurch, folgte der unbefestigten Straße und parkte auf dem Hof vor Ruthie Jean Fontenots kleinem weißem Holzhaus. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, die die Felder in Schatten tauchte, und der über das Zuckerrohr streichende Wind fühlte sich feucht und warm an.
    Ruthie Jean öffnete die Tür, ließ aber die Kette vorgelegt.
    »Was wollen Sie?« sagte sie.
    »Anworten auf ein paar Fragen.«
    »Ich bin nicht angezogen.«
    »Ich lass mich nicht abwimmeln.«
    »Brauchen Sie dafür nicht ’ne Vollmacht oder so was Ähnliches?«
    »Nein.«
    Sie verzog das Gesicht, schlug die Tür zu und ging in den hinteren Teil des Hauses. Ich wartete zehn Minuten lang unter den Gummibäumen, wo die Erde von der Planierraupe aufgewühlt und plattgewalzt worden war. Ich las die eingerollte Zunge eines alten Schuhs auf. Sie fühlte sich trocken und leicht an, wie ein dürres Blatt. Ich hörte, wie Ruthie Jean die Sicherungskette an der Tür aushakte.
    Ihr kleines Wohnzimmer war mit einer Rattangarnitur eingerichtet. Die auf dem Kaminbock gestapelten Scheite waren aus Gips, und dahinter war eine glutrote Cellophanfolie geklebt, damit es so aussah, als brenne dort ein Feuer. Ruthie Jean, die ein weißes Kleid mit Spitzenbesatz am Halsausschnitt, schwarze Pumps und eine rote Glasperlenkette trug, stützte sich auf ihren Stock. Ihre Haut wirkte in dem weichen Licht gelb und kühl.
    »Hübsch sehen Sie aus«, sagte ich und spürte augenblicklich, wie meine Wangen glühten, als mir klar wurde, welche Dreistigkeit ich mir herausnahm.
    »Was wollen Sie um diese Zeit hier?«
    Bevor ich antworten konnte, klingelte hinten im Haus das Telefon. Sie ging in die Küche und nahm ab. Auf einem Bord über der Couch standen allerlei golden gerahmte Familienfotos. Auf einem davon nahm Ruthie Jean von einem Schwarzen, der Anzug und Krawatte trug, eine zusammengerollte Urkunde oder eine Art Diplom in Empfang. Beide lächelten. Sie hatte keinen Stock und war in Schwesterntracht. Am Ende des Bords war eine dreieckige staubfreie Stelle, an der bis vor kurzem ein weiteres Foto gestanden haben mußte.
    »Sind Sie Krankenschwester?« fragte ich, als sie wieder ins Zimmer

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