Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
trotz des Sonnenscheins war die Luft frisch, als ich ihm und Sweet Pea Chaisson auf der Treppe vor dem Gerichtsgebäude über den Weg lief.
»Hey, Dave«, sagte Sweet Pea. »Moment mal, ich hab was vergessen. Isses Ihr Vor- oder Ihr Nachname, mit dem ich Sie nicht anreden soll?«
»Was treibt Sie denn heut morgen um?« fragte ich.
»Reden Sie nicht mit ihm«, sagte Darbonne zu Sweet Pea.
»Ich hab nicht mal gemerkt, daß ihr mein Verdeck aufgeschlitzt habt, bis ich durch die Waschanlage gefahren bin. Der ganze Innenraum von meim Auto is unter Wasser gesetzt worden. Und dann hat die Frau, die die Anlage bedient, auch noch ’n Gummi aufgelesen, der unterm Sitz rumgeschwommen is. Ich bin mir vorgekommen wie der letzte Mensch.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte ich.
»Ich hab vergessen, meine Pacht an den Staat zu bezahlen. Ich steh mit viertausend Dollar in den Miesen. Rumlaufen und andere Leute anzeigen is ja normalerweise nicht meine Art.« Er schob Darbonnes Hand weg. »Geben Sie mir einfach das Geld fürs Verdeck, und wir vergessen die Sache.«
»Sie wollen die Sache vergessen? Wollen Sie mir etwa sagen, daß ich eine Anzeige an den Hals bekomme?« sagte ich.
»Jawoll, ich will mein verdammtes Geld. Mein Auto is innen total ruiniert. Es is, als ob man in ’nem vollgesaugten Schwamm rumfährt.«
Ich wollte in das Gerichtsgebäude gehen.
»Was is’n los? Drück ich mich irgendwie falsch aus, daß Sie mich nicht verstehn?« sagte er.
Ernst schaute er mich mit seinen verwachsenen, vogelähnlichen Augen an.
»Mit dem Schaden an Ihrem Wagen habe ich nichts zu tun. Bleiben Sie mir vom Leib, Sweet Pea«, sagte ich.
Er drückte die wenigen Haarsträhnen auf seinem Schädel mit der flachen Hand platt, verzog ungläubig den Mund und starrte mich an, als spähe er durch dichten Dunst. Darbonne legte die Hand auf Sweet Peas Arm.
»Ist das eine Drohung, Sir?« fragte er.
»Nein, bloß eine Bitte.«
»Wenn Sie’s nicht gewesen sind, dann war’s der fette Arsch«, sagte Sweet Pea.
»Ich werde Ihre Bemerkung an Purcel weiterleiten«, sagte ich.
»Sie sind ein öffentliches Ärgernis, das sich hinter einer Dienstmarke verschanzt«, sagte Darbonne. »Wenn Sie sich auch nur noch einmal in die Nähe meines Mandanten begeben, werden sämtliche himmlischen Heimsuchungen über Sie hereinbrechen.«
Zwei Frauen und ein Mann kamen vorbei, drehten sich zu uns um und wandten dann den Blick ab. Darbonne und Sweet Pea gingen zu einem am Straßenrand stehenden weißen Chrysler. Die Sonne spiegelte sich wie ein Bündel goldener Nadeln auf der getönten Rückscheibe. Darbonne stand neben dem Chrysler, als nehme er irgendeine Witterung in der Luft auf, während er auf eine Lücke im Verkehr wartete, damit er die Tür aufmachen konnte.
Ich ging zu ihm hin und schaute über das Dach des Chrysler hinweg in sein erstauntes Gesicht.
»Als ich noch Streifenpolizist in New Orleans war, sind Sie Bundesanwalt in Diensten des Justizministeriums gewesen«, sagte ich.
Er hatte die Hand halb erhoben und ließ die Sonnenbrille zwischen den Fingern herabbaumeln.
»Was ist bloß aus Ihnen geworden, Sir?« sagte ich.
Er wandte sich ab und schob sich die Sonnenbrille auf die Nase, aber dem Blick nach zu urteilen, den ich vorher noch wahrnahm, war er in einem Maße verletzt, wie ich es nicht erwartet hatte.
Helen Soileau saß auf der Kante meines Schreibtisches. Sie trug eine braune Hose und eine kurzärmlige rosa Bluse.
»Ich hab Marsallus’ Tagebuch gestern abend mit nach Hause genommen und bis zwei Uhr früh drin gelesen«, sagte sie. »Er kann ziemlich gut mit Worten umgehen.«
»Sonny läßt sich nicht so leicht in eine Schublade stecken«, sagte ich.
»Hast du sämtliche Unterlagen über ihn?«
»Weitestgehend. Aber allzu ergiebig ist das nicht. Ich hab die Familienakte vom Sozialamt, falls du mal einen Blick reinwerfen willst.«
»Wozu?«
»Aus keinem besonderen Grund, genaugenommen.«
Sie nahm die Akte von meiner Schreibunterlage und überflog sie.
»Seine Mutter war Prostituierte?« sagte sie.
»Ja, sie starb, als er noch klein war. Sein Vater war ein blinder Messer- und Scherenschleifer, der seine Karre die Villere Street rauf- und runtergeschoben hat.«
Helen legte die Akte wieder hin.
»In seinem Tagebuch läßt er sich über ein paar Songschreiber aus. Er zitiert einen Haufen Texte«, sagte sie. »Von Joe Hill und Woody Guthrie. Ist Woody Guthrie mit Arlo verwandt?«
»Woody war sein Vater. Woody Guthrie und
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