Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Essen, als sie unverhofft sagte: »Kann mir mal einer erklären, warum diese schwarze Kongreßabgeordnete durchsetzen konnte, daß die Daughters of the Confederacy ihr Emblem nicht mehr verwenden dürfen?«
»Das war doch nicht sie allein«, sagte Moleen ruhig und tupfte sich mit dem Taschentuch die Lippen ab.
»Man hat sich ihrer Meinung angeschlossen, aber sie hat dahintergestanden. Das hab ich gemeint, Moleen. Meiner Ansicht nach ist das lächerlich«, sagte Julia.
Die anderen Leute am Tisch lächelten, wußten nicht genau, worum es ging, erinnerten sich allenfalls dunkel an einen Zeitungsartikel.
»Julia spricht von dieser Geschichte, als die Daughters of the Confederacy das Anrecht auf ihr Vereinszeichen erneuern lassen wollten«, sagte Moleen. »Der Antrag wurde abgelehnt, weil das Emblem die konföderierte Flagge aufweist.«
»Diese Frau ist eine üble Demagogin. Ich weiß nicht, wieso die Leute das nicht einsehen«, sagte Julia.
»Ich glaube, wir sind selber daran schuld«, sagte eine Frau am Fußende des Tisches und beugte sich über ihren Teller. »Wir haben zugelassen, daß man die konföderierte Flagge mit allerlei widerwärtigen Vereinigungen identifiziert. Ich kann’s den Farbigen nicht verübeln, wenn sie so darauf reagieren.«
»Ich hab nicht gesagt, daß ich’s den Farbigen verüble«, sagte Julia. »Ich hab nur von dieser speziellen Schwarzen gesprochen.«
»Julia will auf etwas hinaus«, sagte Moleen. »Die DOCs sind wohl kaum der Feind im eigenen Land.«
»Tja, meiner Meinung nach sollten wir was dagegen tun«, sagte Julia. Sie trank einen Schluck, und ihre künstlich grünen Augen strahlten unter den Kontaktlinsen einen Funken heller.
»Oh, da hätten die in Washington aber was zu tun«, sagte Moleen.
»Das ist kein Witz, Moleen«, sagte Julia.
»Ich muß euch erzählen, was
die
mal gemacht hat«, sagte Moleen, schlug seine Serviette wieder auf und breitete sie über seinen Schoß. »Als sie noch Cheerleader an der LSU war. Sie und ein anderes Gör haben den leeren Käfig von Mike dem Tiger, dem Mannschaftsmaskottchen, mit sperrangelweit offener Tür hinten an einen Pickup gehängt und sind damit am Samstag nachmittag quer durchs Schwarzenviertel gefahren.« Er lachte schallend auf. »Vor irgendeiner Bar oder Grillbude haben sie angehalten und gesagt: Entschuldigen Sie, wir wollen niemanden erschrecken, aber hat hier jemand einen Tiger rumlaufen sehen?‹ Sämtliche Schwarzen in ganz Baton Rouge sind im Nu auf die Bäume geklettert.«
Ich schaute ihn an.
»Erzähl doch nicht diese alte Geschichte. Ich hab damit nichts zu tun gehabt«, sagte Julia, die sich allerdings sichtlich freute.
»Der typische Studentenulk. Heutzutage macht man viel zu viel Gewese um diese Rassengeschichte«, sagte er.
»Moleen, das ändert nichts an dem, was diese Frau gemacht hat. Darauf will ich hinaus, aber anscheinend versteht mich hier keiner«, sagte sie.
»Um Himmels willen, Julia, lass uns das Thema wechseln«, sagte er.
Rundum herrschte Stille. Jemand hustete, ein Messer scharrte über einen Teller. Julias weiße Augäpfel waren von feinen roten Äderchen durchzogen, die Wimpern mit Maskara verklebt. Ich mußte an ein aufgemaltes Gesicht auf einem rosa Luftballon denken, der vom Wind gebeutelt wird, an der Schnur zerrt und jeden Moment platzen kann.
Später fragte mich Moleen, ob ich Lust hätte, mit ihm hinaus zum Rand des Marschlandes zu laufen, wo ein verwitterter Picknicktisch stand, auf dem seine Schrotflinte und das Tontaubenwurfgerät lagen. Er trug Schnürstiefel, eine Khakihose mit Druckknopftaschen an Ober- und Unterschenkeln und eine Jagdweste mit aufgenähten Patronentaschen voller Zwölferschrot. Er klappte seine Doppelläufige auf und schob zwei Schuß in die Kammern.
»Waren Sie mal in Thailand stationiert, Moleen?« fragte ich.
»Eine Zeitlang. Wieso fragen Sie?«
»Allerhand Leute vom Nachrichtendienst waren da. Reine Neugier.«
Er kratzte sich mit dem Fingernagel am Mundwinkel. »Haben Sie Lust, ein paar abzuballern?« fragte er.
»Nein, danke.«
»Sie haben vorhin bei Tisch ein bißchen verbissen gewirkt.«
Ich sah einer Nutria zu, die sich von einem Baumstamm fallen ließ und auf einen Wasserhyazinthenteppich zuschwamm.
»Hat Sie diese kleine Anekdote aus Julias ruhmreicher Studienzeit gestört? Das ist doch harmloses Zeug.«
»Von Ihrer Warte aus nicht.«
»Sie haben eine unangenehme Angewohnheit. Sie machen ständig Andeutungen, ohne etwas offen auszusprechen,
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