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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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die eine ehrliche Antwort entweder unmöglich oder aber so selbstentlarvend ist, daß man sich hinterher eine ganze Weile in seiner eigenen Haut nicht wohl fühlt.
    Es kam mir vor, als träumte ich die ganze Nacht hindurch, von dem Augenblick an, da ich eingeschlafen war, bis zum Morgengrauen, aber es war immer dieselbe Handlung mit den gleichen Beteiligten.
    Ich stehe an einer Mahagonibar mit Messinggeländer, während draußen ein rosiger Abendhimmel über den Philippinen hängt und die Palmwedel im Hof sich sanft im Wind wiegen. Ich kippe mir ein Schnapsglas mit Jim Beam hinter die Binde und spüle mit einer Flasche San Miguel nach, stütze die Unterarme auf das kühle Holz und warte auf den Rausch, der wie ein alter Freund ist, der einen nie im Stich läßt, der sich stets mitten in die Nerven an der Schädelbasis brennt, in die Lenden fährt, längst verschüttete Gedankengänge freilegt und einem nach all dem Kleinmut und der Beklommenheit endlich wieder wohlig ums Herz werden läßt.
    Eine Zeitlang.
    Der Barkeeper hat ein gelbes Gesicht, und die Haut spannt sich so straff um seinen Schädel, daß die Falten um den schmalen, schlitzartigen Mund wie Schnurrhaare wirken. Die Abendluft ist erfüllt vom Rascheln der Perlenvorhänge und dem seidigen Geflüster der Asiatinnen, die zwischen ihnen hindurchschweben; rundum hängt dichter, süßer Opiumduft, wie wenn man Honig und braunen Zucker auf einem Löffel verbrennt, dazu der rauchige Geruch nach Whiskey, der in alten Holzfässern gereift ist, und die Schwarzkirschen, Orangen- und Limonenscheiben, die man mit geradezu sinnlicher Lust zwischen den Backenzähnen zerquetscht, als ob man durch sie irgendwie in einen tropischen Garten versetzt würde, statt in einem Loch unter der Erde zu landen.
    Der Traum endet immer auf die gleiche Weise, aber mir ist nie ganz klar, ob die Szene nur symbolischen Charakter hat oder ob ich mich tatsächlich an etwas erinnere, das sich in weggetretenem Zustand zugetragen hat. Ich sehe machtlos zu, wie mich gesichtslose Männer vom Boden hochheben und mich aus der Tür in eine mit Kopfsteinen gepflasterte Gasse werfen, die vom Geschepper der Mülltonnen widerhallt, in denen alte Weiber nach verwertbaren Abfällen kramen. Ein Zuhälter und eine Hure durchwühlen meine Hosentaschen, und ich starre sie nur an, so hilflos wie ein Querschnittsgelähmter. Dann sitze ich auf einem Stuhl in irgendeinem Polizeirevier in der dritten Welt, meine Hände sind auf den Rücken gefesselt, das Delirium tremens beutelt mich, und Schweißtropfen, so groß wie abgeplattete Murmeln, perlen über mein Gesicht.
    Mit rasselndem Atem wache ich aus diesem Traum auf, und die Luft im Zimmer kommt mir vor wie mit Alkoholausdünstungen geschwängert. Ich setze mich auf die Bettkante und gehe die ersten drei Entwöhnungsschritte der Anonymen Alkoholiker durch. Aber jetzt gehen mir andere Eindrücke durch den Kopf, die beunruhigender sind als meine Traumgesichter. Es ist, als ob aus einer glühenden Stelle unmittelbar außerhalb meines Gesichtsfelds eine rote Blase aufsteigt und in meinem Hinterkopf zerplatzt, und dann sehe ich Leuchtspurmunition durch die Nacht zucken wie flackernde Neonreklame, und mein Mund schmeckt bitter nach Kordit. Es ist genauso wie ein Whiskeyrausch, der die Erinnerung bannt und flirrende Alptraumwesen in harmlose Phantasiegebilde verwandelt.
    Meine Plakette und die 45er Automatik, das offizielle 1911er Army-Modell, liegen im Mondlicht auf der Kommode. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, daß ich an sie gekommen bin.
    Ich war eine Stunde daheim, als das Telefon in der Küche klingelte.
    »Wir haben zwei Kugeln rausgeholt«, sagte der Gerichtsmediziner. »Eine davon ist gut erhalten. Aber ich würde sagen, es handelt sich in beiden Fällen um Neunmillimetermunition, beziehungsweise Kaliber achtunddreißig.«
    »Zwei?« sagte ich.
    »Unter der Achselhöhle war ein zweiter Einschuß. Die Kugel hat den meisten Schaden angerichtet. Sie ist durch irgendwas abgelenkt und plattgedrückt worden, bevor sie in den Brustkorb eindrang. Jedenfalls hat sie beide Lungenflügel durchschlagen. Sind Sie immer noch der Meinung, daß es sich um den Kerl handelt, der draußen bei Ihrem Haus war?«
    »Ja. Der Typ hatte eine abgesägte Schrotflinte unter dem rechten Arm. Vermutlich ist eine der Kugeln daran abgeprallt.«
    »Dann war er vermutlich ziemlich aufgedreht.«
    »Ich verstehe Sie nicht recht«, sagte ich.
    »Er hat ein Menge Adrenalin ausgeschüttet,

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