Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zumindest das einzige, was mir dazu einfällt. Ich hab die Fotokopie verbrannt. Mach mit dem Original dasselbe, Dave, bevor noch mehr Menschen zu Schaden kommen.«
»Schuldgefühle weswegen?« fragte ich.
»Ich hab Leute benutzt – Indianer, Bauernmädchen, Menschen, denen es schon seit jeher dreckig gegangen ist.«
Er strich über die Oberseite seines bloßen Schenkels.
»Wir sind in einen Hinterhalt geraten. Ich hatte eine Flakweste an. Alle um mich rum sind niedergemäht worden«, sagte er.
»Manchmal fühlt man sich schuldig, wenn es den Mann neben einem erwischt. So ist das nun mal, Sonny.«
»Ich wurde zweimal getroffen. Als ich zu Boden gegangen bin, sind eine Handvoll Jungs unmittelbar über mir zu Hackfleisch zerfetzt worden. Hinterher haben die Indianer gedacht, ich hätte übersinnliche Kräfte oder wäre vielleicht ein Erzengel oder irgend so was. Ich hab’s ausgenutzt, was das Zeug hält, Streak. Schau, ich hab mein ganzes Leben lang meinen Arsch verhökert und mit den Leuten meine Spielchen getrieben. Jungs wie ich sehn nicht schlagartig ein Himmelslicht und ändern ihren Lebenswandel.«
Er griff unter das Kopfteil der Matratze, holte eine Flasche hervor und schraubte den Deckel ab. Es roch wie weiches Obst, das mit Feuerzeugbenzin vermischt und in einem verschlossenen Gefäß auf der Heizung stehengelassen worden war.
Er trank einen Schluck, und es kam mir so vor, als ob sich die Haut um seinen Schädel zusammenzog.
»Du hast mich als Lockvogel bezeichnet. Damit kann ich mich nur schwer abfinden, Sonny.«
»Tja, ich mag die Zelle hier auch nicht so besonders.«
»Glaubst du, ich hätte dich in die Schußlinie gelockt?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte er.
Ich nickte, konnte ihm aber nicht ins Gesicht schauen. Wir wußten beide, daß er vermutlich in einem luftigen Straßenbahnwagen durch die St. Charles Avenue fahren würde, wenn er mich nicht zu Hause angerufen und vor Patsy Dap gewarnt hätte.
»Ich will dir noch was sagen, Dave«, sagte er. »Ich hab fünf Jungs kaltgemacht, seit ich aus den Tropen fort bin. Dieser Jack und Pogues Bruder sind bloß zwei davon gewesen.«
»Du hast eine seltsame Art, für deine Sünden einzustehen.«
»Ich will dich ja nicht verletzen, denn für eine Ratte bist du ganz in Ordnung, aber stell lieber Strafzettel aus, erledige Papierkram oder führ ein paar von den Rotary-Jungs zum Essen aus und lass sie unter dem Tisch an dir rumfummeln. Ich geh diesmal wahrscheinlich endgültig den Bach runter. Also komm mir in meiner Zelle nicht mit deinem Gesülze. Hier, an dieser Stelle, ist das wirklich eine Beleidigung.«
Ich schlug mit der Handkante an die Gitterstäbe und rief den Wachmann, damit er mich herausließ. Als ich mich, verbissen wie ich war, noch einmal zu ihm umdrehte, zupfte er an einer Schwiele an seinem Fuß herum. Die blaue Madonna mit dem nadelspitzen orangen Heiligenschein, die auf seine rechte Schulter tätowiert war, wirkte wie ein Gemälde auf geschliffenem Mondstein. Ich wollte noch etwas sagen, aber er wandte den Blick von mir ab.
Rufus Arceneaux war mit dreiundzwanzig Sergeant bei der Marineinfanterie gewesen. In den zehn Jahren, die er bei unserer Dienststelle weilte, war er uniformierter Streifenpolizist gewesen, zum Zivilfahnder aufgestiegen und wieder in Uniform gesteckt worden. Er war ein großer, vierschrötiger Mann mit einer langen Nase und blondem Stoppelkopf, und der blankgewienerte Waffengürtel samt Holster saß wie angeschmiedet um seinen strammen Leib. Rufus trug eine dunkle Pilotensonnenbrille und lächelte selten, aber man hatte immer das Gefühl, als ob er einen heimlich beobachtete, abschätzig musterte, daß er hämisch die Mundwinkel verzog, sobald man ihm den Rücken zukehrte.
Am Freitag morgen rief Luke Fontenot an und teilte mir mit, daß Ruthie Jean, seine Schwester, im Gefängnis sitze. Rufus habe sie festgenommen.
Ich ging zu seinem Büro und trat ein, ohne anzuklopfen. Er telefonierte gerade, hatte ein Bein über eine aufgezogene Schreibtischschublade gelegt. Er warf mir einen schiefen Blick zu und widmete sich dann wieder seinem Gespräch. Ich wartete eine Weile. Aber er hörte nicht auf.
Er sperrte den Mund auf, als ich ihm den Hörer aus der Hand riß und auf die Gabel legte.
»Was zum Teufel denken Sie sich eigentlich, Robicheaux?«
»Haben Sie Ruthie Jean wegen Kuppelei eingebuchtet?«
»Na und wenn?«
»Sie greifen in die Ermittlungen in einem Mordfall ein.«
»Donnerwetter. In dem Laden da
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